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«Allzu oft sind Ärzte bloss noch Verwalter von Krankheiten»

Nach seinem Medizinstudium hielt es Ruediger Dahlke nur ein Jahr in einer Klinik auf. Weil die Schulmedizin «die Patienten nicht gesund und ihn krank» machte, begab er sich auf die Suche nach alternativen Therapieformen. Sein erstes Buch über psychische Ursachen von Krankheiten erreichte ein Millionen-Publikum und brachte ihm den Zorn von Ärzten und Wissenschaftlern ein. Bis heute warnt der 65-jährige in seinen Seminaren und Büchern vor der Macht der Pharmaindustrie und dem Konsum von tierischen Produkten. Er sagt aber auch, Essen dürfe nicht zur Relgion werden und wenn er «selig grinsenden Lichtgestalten» begegne, suche er rasch das Weite.

Interview: Mathias Morgenthaler   Foto: Manu Friederich



Kontakt und weitere Informationen:
www.dahlke.at


Ruediger Dahlke – ein Arzt, der polarisiert

Der Arzt, Therapeut und Buch-Autor wurde 1951 in Berlin geboren. Er studierte in München Humanmedizin, bildete sich zum Arzt für Naturheilverfahren und Psychotherapeuten weiter und machte sich bald als Autor und Kritiker der Schulmedizin einen Namen. Wegen seiner psychosomatischen Krankheitsdeutungen, Experimenten mit Lichtnahrung und seiner Nähe zur Esoterik-Szene polarisiert Dahlke stark. 1990 gründete er mit seiner ersten Frau das Heilkundezentrum in Niederbayern. Später nahm er  die Österreichische Staatsbürgerschaft an und baute mit seiner zweiten Frau in der Steiermark das Gesundheitsresort TamanGa auf, wo er Fasten-, Meditations- und Ernährungsseminare durchführt. Dahlke hat über 60 Bücher publiziert, darunter Besteller wie «Krankheit als Symbol», «Peace Food» und zahlreiche Fasten-Ratgeber. Der 65-Jährige ist Vater einer erwachsenen Tochter und lebt seit 2016 in Fürigen bei Luzern.

Herr Dahlke, Sie sind bekannt geworden als Naturheilarzt, der seelische Ursachen für körperliche Beschwerden verantwortlich macht. Starten wir mit einer Fragerunde: Welche seelischen Hintergründe hat chronisches Übergewicht?
RUEDIGER DAHLKE: Eigentlich ist es unsere Aufgabe, unser Leben rund zu bekommen, indem wir alle wesentlichen Felder oder Lebensprinzipien abdecken. Wie bei allen Krankheitsbildern sinkt diese Aufgabe auch hier auf die Körperbühne. Statt das Leben im übertragenen Sinn abzurunden, futtern Betroffene den Körper rund.
 
Worauf würden Sie bei wiederkehrenden Migräneanfällen achten?
Darauf, grosse mitreissende Liebesfeste zu feiern.
 
Welches ist der beste Weg, mit dem Rauchen aufzuhören?
Es ist wichtig, zuerst das eigene Rauchmuster zu erkennen und zu verstehen. Geht es darum, Dampf abzulassen, geht es stark um orale Befriedigung, also etwas im Mund zu haben und daran zu ziehen, oder geht es darum, die Zigarette als Taktstock zum Ton angeben zu benutzen? Wer seine Motive kennt, kann sie durch konstruktivere Muster ersetzen: Wer rauchend Dampf ablässt, sollte sich eine erlöstere Ebene suchen, seine Aggressionen herauszulassen. Das orale Thema liesse sich schöner küssend bearbeiten. Wer hier einfach aufhört zu rauchen, läuft Gefahr, stattdessen zu essen und zuzunehmen. Wer den Glimmstengel als Taktstock mit Lichtpunkt missbraucht, könnte andere Wege finden, öfter den Ton anzugeben.
 
Auch bei schweren Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Krebs benennen Sie seelische Ursachen. Das ist für viele ein Schlag ins Gesicht. Ist in Ihren Augen selber schuld, wer an einer solchen Krankheit stirbt?
Es geht mir nie um Schuld, sondern um Verantwortung. Wir müssen wieder die Verantwortung für unsere Probleme übernehmen, denn die kann uns niemand abnehmen, auch der beste Arzt nicht. Es ist ein Jammer, dass wir im Deutschen Schuld und Verantwortung synonym verwenden. Tatsächlich geht es darum, Antworten zu finden auf die im Krankheitsbild deutlich werdende Aufgabe und Herausforderung des Schicksals. In anderen Sprachen zeigt sich das noch deutlicher: responsibilità, responsabilité, responsibility – es geht um die «ability to respond», die Fähigkeit, Antworten zu finden. Ich arbeite seit fast vier Jahrzehnten als Arzt und habe tausendfach erlebt, wie entscheidend es ist, dass die Menschen die Verantwortung für ihre Gesundheit nicht delegieren.
 
Sprechen Sie damit der Schulmedizin ihre Daseinsberechtigung ab?
Bei allen chronischen Krankheitsbildern hat die Schulmedizin wenig anzubieten. Sie kann keine Krankheiten heilen. In der ersten Lebenshälfte gelingt es noch ganz gut, mit Medikamenten Symptome zu unterdrücken, in der zweiten Lebenshälfte bei chronischen Krankheiten ist das kaum mehr möglich. Und wenn doch, ist es kontraproduktiv. Natürlich kann man bei Rheuma mit sehr starken Medikamenten den Schmerz unterdrücken, aber das rächt sich ebenso sehr, wie wenn Sie im Auto die Warnlampe, die sie auf den fast leeren Benzintank aufmerksam macht, einfach überkleben. Ebenso kurzsichtig ist es, bei Bluthochdruck oder Diabetes einfach mit Medikamenten die Symptome zu bekämpfen.
 
Was schlagen Sie als Alternative vor?
Fasten, Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und ein Verständnis für die seelischen Ursachen der Krankheit. Nehmen wir das Beispiel Diabetes 2: Was früher als Alterszucker bekannt war und primär Senioren zu schaffen machte, ist heute eine Volkskrankheit, von der auch junge Erwachsene, Jugendliche und sogar Kinder betroffen sind. Die Ursachen liegen auf der Hand: Bewegungsmangel und eine Überdosis an Zucker in den Lebensmitteln führen zu Übergewicht und einer frühzeitig überforderten Bauchspeicheldrüse. Da hilft nur eine Änderung des Lebensstils. Aber natürlich hat die Schulmedizin, die hochgradig von der Pharmaindustrie abhängig ist, kein grosses Interesse an Lebensstiländerungen, weil damit viel weniger Geld zu verdienen ist als mit Medikamenten.
 
Ein schwer wiegender und plakativer Vorwurf.
Schauen Sie sich doch an, wie viel Einfluss die grossen Pharmakonzerne durch Lobbying erkaufen. Mit einem Medikament wie dem Cholesterinsenker Lipitor respektive Sortis erzielte der Pharmakonzern Pfizer jahrelang zweistellige Milliardenumsätze – was aus ärztlicher Sicht fragwürdig ist, da unser Gehirn zu 70 Prozent aus Fett besteht und dringend auf die körpereigene Cholesterinproduktion angewiesen ist. Einen guten Teil des Gewinns investieren die Pharmakonzerne in Lobbying. Dank einer Studie der Organisation Oxfam wissen wir, dass die grossen Player im Pharma- und Gesundheitssektor allein im Jahr 2014 500 Millionen US-Dollar für Lobbyarbeit in Washington und Brüssel ausgegeben haben. Bei einem so warmen Geldregen ist es nicht verwunderlich, dass dann bei einer angeblich heraufziehenden Schweine- oder Vogelgrippe massenweise Tamiflu ausgegeben wird.
 
Sie halten diese Grippen für inszeniert zugunsten der Pharmaindustrie?
Als Arzt weiss ich, wie gefährlich Grippen sein können – die spanische Grippe war eine Katastrophe. Bei der Schweine- und Vogelgrippe gab es aber keinen Gen-Shift, keine gefährliche Veränderung des Erregers. Das war eine harmlose Sache. Und trotzdem sind Milliarden in Tamiflu geflossen und weitere Millionen in dessen Vernichtung. Interessanterweise hat sich Polen entschieden, nicht mitzumachen bei der ganzen Hysterie – ohne nachteilige Auswirkungen.
 
Nochmals: Möchten Sie die Schulmedizin am liebsten ganz abschaffen?
Nein, keinesfalls. Ich habe eine Tochter mit Down-Syndrom und bin sehr dankbar für fachärztliche Begleitung. Im ganzen Bereich der Diagnostik leistet die Schulmedizin wertvolle Arbeit. Die modernen bildgebenden Verfahren, die mit wenig oder keinen Strahlenwirkungen einhergehen, sind ein Segen. Bei Krebs etwa kommt es sehr auf die Art an; bei kindlichen Leukämien hat auch Chemotherapie die Aussichten sehr verbessert. Aber allzu oft sind Ärzte bloss noch Verwalter von Krankheiten und Medikamentenhändler. Die meisten Pillen helfen aber nicht den Patienten, sondern der Pharmaindustrie. Vergessen wir nicht: Die dritthäufigste Todesursache in Industrieländern sind Kunstfehler der Medizin respektive Nebenwirkungen von Medikamenten.
 
Sie empfehlen deswegen Fasten im Kampf gegen den Krebs, Kokosöl gegen Alzheimer, vegane Ernährung bei Rheuma und Herz-/Kreislaufproblemen: Haben Sie nie Zweifel, ob Ihre Überzeugungen genug abgesichert sind, um Patienten in heiklen Situationen damit zu therapieren?
Doch, anfangs hatte ich solche Zweifel. Mit den Jahren haben sich diese durch Heilungserfolge bei Patienten gelegt. In vielen Fällen ist die Wirksamkeit inzwischen wissenschaftlich solide belegt. Ich führe beispielsweise seit über 38 Jahren Fastenseminare durch und sehe, wie positiv sich dies auf die Übersäuerung und Entzündungsanfälligkeit des Körpers auswirkt. In den letzten Jahren haben renommierte Wissenschaftler  wie Valter Longo, Professor für Gerontologie und Biologie an der University of California Los Angeles, die Wirkung des Fastens auf Krebszellen untersucht und nachgewiesen, dass sich das Wachstum der entarteten Zellen verlangsamte und die Wahrscheinlichkeit von Metastasenbildung reduzierte. Ich verstehe Fasten, eine gesunde Ernährung und die Psychosomatik aber nicht als Alternative zur Schulmedizin, sondern als Ergänzung.
 
Gesunde Ernährung heisst für Sie: keine tierischen Produkte. Warum so radikal?
Ich habe schon als Kind einmal aufgehört, Fleisch zu essen – das war eine intuitive Entscheidung aus purer Tierfreundschaft. Später kam eine ethische Dimension dazu: Ist es wirklich legitim, dass eine Milliarde Menschen hungern, weil wir so viel Fleisch essen und tonnenweise Getreide für die Massentierzucht verwenden statt es den Ärmsten zur Ernährung zu überlassen? Drei Viertel des Viehfutters in Deutschland kommt aus der dritten Welt. Zudem essen wir mit dem Fleisch auch das Leid und den Stress der in Massenhaltung gequälten Tiere mit. Die Lethargie dieser Tiere und ihre Panik, die sie auf dem Weg zur Schlachtbank erfasst und Stresshormone ausschütten lässt, überträgt sich auf uns Menschen.
 
Sie empfehlen nicht nur den Verzicht auf Fleisch, sondern gleich alle tierischen Produkte wegzulassen, also vegan zu leben. Mit welchen Argumenten?
Die Publikation der «China-Study» von Colin Campbell im Jahr 2005 war für mich ein Aha-Effekt. Sie liefert solide wissenschaftliche Argumente für eine pflanzlich vollwertige Ernährung, indem sie zeigt, dass der Konsum von Tierprotein die Entstehung von Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten und viel anderem Elend begünstigt.
 
Die Studie ist stark kritisiert worden. Campbell habe aus rund 8000 statistisch signifikanten Korrelationen nur jene herausgepickt, die seine Theorie stützten, wird bemängelt. Die Veganer hätten daraus eine Bibel gemacht, ohne zwischen Korrelation und Kausalität zu unterscheiden.
Ich habe mir von mehreren Wissenschaftlern versichern lassen, dass die Studie solid ist. Aber ich würde keiner Studie vertrauen, ohne die Ergebnisse immer wieder zu verifizieren. Sie können mit Studien alles beweisen, auch dass Coca-Cola Leben rettet. Wenn Sie zwei Gruppen mehrere Tage in der Wüste aussetzen und der einen nichts zu trinken geben, der anderen Coca Cola, dann ist der lebensrettende Effekt leicht nachzuweisen.
 
Cola halten die wenigsten für gesund. Anders ist es bei der Kuhmilch, die uns in der Werbung als Fitmacherin und Knochenstärkerin angepriesen wird. Warum raten Sie dezidiert vom Konsum ab?
Kuhmilch-Konsum ist – besonders in der heutigen pasteurisierten und homogenisierten Form – ein Angriff auf unsere Darmschleimhaut. Kuhmilch enthält obendrein den Wachstumsfaktor IGF-1, der für schnelle Zellteilung sorgt und die Eliminierung alter Zellen behindert. Das ist für Erwachsene eine Art Krebsprogramm. Colin Campbell hält Kuhmilch auf der Basis zahlreicher Studien für den gefährlichsten Krebsförderer. Schliesslich hat die Kuhmilch wie alles Tierprotein den Nachteil, uns zu übersäuern. Und sie entzieht dem Körper mehr Kalzium, als sie ihm zuführt. Zudem ist Kuhmilch immer zweckentfremdete Muttermilch. Es spricht wirklich nichts dafür, dass Erwachsene tierische Milch konsumieren.
 
Freuen Sie sich darüber, dass inzwischen auch Spitzenköche und Leistungssportler auf vegane Ernährung setzen?
Es ist gut, wenn vollwertige pflanzliche Ernährung mehr mit Genuss und Gesundheit als mit Verzicht assoziiert wird. Ich bin aber kein ideologischer Veganer: Weissmehl und raffinierter Zucker, Wodka und Whiskey sind zwar vegan, deswegen aber nicht gesund. Ich versuche, Ideologie aus der Ernährungsfrage herauszuhalten und auf medizinische, humanitäre, tierethische und ökologische Argumente hinzuweisen. Essen soll nicht zur Religion werden. Man kann auch nicht über den Darm erleuchtet werden.
 
Dennoch polarisieren Sie extrem. Im Wikipedia-Eintrag werden Sie als Esoteriker bezeichnet, der «hoch gefährlichen Unsinn verbreitet»?
Wikipedia ist kein objektives Lexikon, sondern dort wird gezielt Stimmung gegen alles Spirituelle und Komplementärmedizinische gemacht. Ich diskutiere gerne und bin offen für gute Argumente. Verunglimpfungen und Unterstellungen sind die Methoden sogenannter  Skeptiker, denen es  an Argumenten fehlt.
 
Grenzen Sie sich von der Esoterik ab?
Mir liegt daran, die wissenschaftlich-analytische Weltsicht durch eine spirituelle Dimension zu erweitern. Wenn wir die grundlegenden Lebensprinzipien nicht verstehen, welche uns schon die antike Mythologie vor Augen führte, fehlt es uns an Orientierung. Das Bewusstsein bestimmt das Sein. Wenn ich aber auf Messen weiss gekleideten Gestalten begegne, die leise gehen, leise reden und permanent blöd grinsen, suche ich rasch das Weite. Wo sich alles um Licht, Liebe und Engel dreht, entsteht ein grosser Schatten. Es gibt keinen Direktflug ins Licht, der Weg führt immer durch den eigenen Schatten. Und ich halte auch nichts von krampfhaft positivem Denken, Affirmationsakrobatik und Bestellungen beim Universum.
 
Und doch beschreiben Sie in Ihren Büchern so genannte «Lebensprinzipien» und «Schicksalsgesetze» – das sind grosse Worte für einen, der sich primär als Arzt sieht.
Die Lebensprinzipien sind ein uraltes Erfahrungswissen, das mir wie auch das Erfahrungswissen in Medizin und Ernährungslehre wichtig ist. Die Schicksalsgesetze werden von der Wissenschaft inzwischen längst bestätigt. Das Polaritätsgesetz von der Physik, die weiss, dass zu jedem Elektron ein Positron gehört. Das Resonanzgesetz durch die Entdeckung der Spiegelneuronen und das Gesetz des Anfangs durch die Sozialwissenschaften.
 
Wie sind Sie als Sohn einer Sonderschullehrerin und eines Industriemanagers eigentlich zum Arzt geworden, der die Schulmedizin auf Herz und Nieren prüft?
Ich bin protestantisch getauft, aber katholisch im bayrischen Umfeld aufgewachsent. Meine Mutter hätte gerne gesehen, wenn ich ein zweiter Albert Schweitzer geworden wäre, mein Vater monierte, wenn ich nicht die Bestnote nach Hause brachte. Ansonsten betrieb er grossen Aufwand, um mich von den Utopien des Sozialismus und der Hippie-Bewegung zu heilen. Ich hatte das Glück, schon in jungen Jahren viel von der Welt zu sehen. Schliesslich studierte ich Medizin wie schon mein Grossvater, der zwei Kliniken geleitet hatte.
 
Als Klinikarzt hielten Sie es nur ein knappes Jahr aus.
Ich war schockiert, wie sehr der Mensch auf seine Symptome reduziert wurde. Die Ärzte redeten von der «Niere auf Zimmer 17», auf der Krebsstation durfte nicht über das Sterben gesprochen werden. Ich stellte nach kurzer Zeit fest: Dieses System macht die Patienten nicht gesund, und mich macht es krank. So suchte ich meinen eigenen Weg, erkundete die Welt, lernte von Geistheilern auf den Philippinen, Schamanen in Afrika und indischen Yoga-Meistern. Schliesslich kam ich mit dem Psychotherapeuten Thorwald Dethlefsen zusammen, der zu meinem Mentor wurde.
 
Ihr gemeinsames Buch «Krankheit als Weg» wurde zum Bestseller.
Es hat rasch die Millionengrenze überschritten und ist in 28 Sprachen übersetzt worden. Dass wir die Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper so direkt darstellten, war Anfang der Achtzigerjahre eine Sensation. Die Schulmediziner ignorierten das Buch nach Kräften, aber die Leser und vor allem Leserinnen waren ganz verrückt danach. Bei der ersten Abrechnung, die ich vom Verlag erhielt, traf mich fast der Schlag. Wir nahmen uns vor, uns bei 100'000 verkauften Exemplaren ordentlich zu betrinken, doch da war diese Schwelle schon überschritten. So haben wir dann das 250'000. Exemplar begossen.
 
Dethlefsen war ein erklärter Gegner der Wissenschaft und Schulmedizin.
Wir waren sehr verschieden und haben auch leidenschaftlich gestritten über medizinische Fragen. Dethlefsen war berühmt für seine Reinkarnationstherapien und mir war klar, dass ich als Mediziner erledigt war, sobald ich mit ihm zusammenarbeitete. Aber ich war beeindruckt, wie rasch Dethlefsen mit seinen Patienten unter Tranceinduktion therapeutische Fortschritte erzielte.
 
Seine Reinkarnationstherapie war äusserst umstritten.
Sie stützte sich auf die Theorie von C.G. Jung, ergänzt durch effizientere Techniken. Wir erzielten damit bei Patienten innerhalb weniger Stunden grössere Fortschritte als andere in 200 Stunden Psychotherapie nach dem Freud‘schen Ansatz. In vier Wochen aufdeckender Psychotherapie brachten wir die Leute dazu, ihre Projektionsmuster zu durchschauen und Eigenverantwortung für ihr Leben zu übernehmen.
 
Wie hat sich die Wahrnehmung Ihrer Arbeit verändert? 2013 erhielten Sie noch den Spottpreis «Goldenes Brett vor dem Kopf» wegen Ihrer Anfälligkeit für esoterische Heilmethoden, inzwischen kommen angeblich auch Schulmediziner zu Ihnen in die Weiterbildung.
Es freut mich, dass ich für die Deutsche Ärztekammer arbeite und medizinische Fortbildungen leiten kann, etwa zum Arzt für Naturheilverfahren. Von den Skeptikern, die hinter dem erwähnten Spottpreis stehen, nicht gemocht zu werden, betrachte ich als Auszeichnung – die ernst gemeinten Ehrungen überwiegen bei weitem. Das Entscheidende für mich ist aber die Lebensqualität und der Dank von so vielen Patienten.
 
Sie haben über 60 Bücher geschrieben, halten in halb Europa und den USA Vorlesungen und führen Seminare durch. Was treibt Sie stärker an, der Narzissmus oder der Drang, die Welt zu verbessern?
Vielleicht eine Mischung aus beidem. Ich gebe zu, dass ich gerne bekannt bin und gehört werde, aber nicht als Selbstzweck, sondern weil das die Voraussetzung ist, um etwas bewegen zu können. Mein wichtigstes Ziel ist es, ein Feld ansteckender Gesundheit aufzubauen.


20. Mai 2017