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«Dann staune ich wie ein Kind»

Yves Danas Werke sind gefragt, mal sind sie in Paris, mal in Mailand, London oder Madrid zu sehen. «Es bringt nichts, übermässig stolz darauf zu sein – den Stein beeindruckt das nicht», sagt der Lausanner Bildhauer mit ägyptischen Wurzeln. Sitzt er in seinem Atelier vor einem neuen Objekt, fühlt er sich immer wieder wie ein Anfänger – wie ein sehr glücklicher allerdings.

Interview: Mathias Morgenthaler    Fotos: Adrian Moser/MM


Kontakt und weitere Informationen:
www.dana.ch

 

Herr Dana, Sie sind soeben von der Kunstmesse Art Paris zurückgekehrt. Vorher haben Sie Ihre Werke in Madrid und Mailand ausgestellt, im Juni sind Sie mit der renommierten New Yorker Galerie L & M Arts an der Art Basel . . .
YVES DANA: . . . das ist komisch, nicht wahr? Es gäbe kürzere Wege von Lausanne nach Basel als via New York, aber wenn man keinen Agenten hat, redet der Zufall eben immer ein Wörtchen mit.

Ich nehme an, Sie haben dem Zufall ein wenig auf die Sprünge geholfen.
Nein, diese Zusammenarbeit ist mir buchstäblich in den Schoss gefallen. Wenn man sich als freischwebendes Elektron in der Kunstwelt bewegt, bleibt manches unberechenbar. Man bemüht sich vergeblich um dieses und jenes, und dann kommt plötzlich eine Anfrage, mit der man überhaupt nicht gerechnet hat.

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Sie scheinen als Künstler sehr gefragt zu sein. Beeinflusst der Erfolg Ihre bildhauerische Arbeit?
Ich schaffe 30 bis 40 Objekte pro Jahr und habe das Glück, jedes Jahr mindestens so viele zu verkaufen. Das gibt mir die Möglichkeit, neue Steine einzukaufen, was ziemlich aufwendig ist. Ich arbeite seit Jahren eng mit dem Steinhauer Alain Vos zusammen, er kennt meine Bedürfnisse genau und sucht auf der halben Welt gute Steine für mich. Das Jahresbudget meines Ateliers beträgt 500'000 Franken – das könnte ich nicht finanzieren, wenn sich meine Werke nicht gut verkaufen würden. Aber der Kunstmarkt unterliegt grossen Schwankungen. An der Art Paris habe ich kein einziges Werk verkauft, und ich war damit in guter Gesellschaft. Auch die Kunstliebhaber haben das Sparen entdeckt. Für mich ist nicht entscheidend, was in den Galerien oder auf den Kunstmessen passiert, für mich steht die Arbeit hier im Atelier in Lausanne im Zentrum.

Es kann Ihnen doch nicht egal sein, ob sich Sammler für Ihre Werke interessieren?
Nein, es ist sogar sehr schön, zu sehen, wie man Menschen mit seiner Kunst berühren kann. Aber mein primärer Antrieb ist nicht, immer grössere Einzelausstellungen zu haben und immer höhere Verkaufserlöse zu erzielen. Es ist schön, wenn man in Mailand oder London ausstellen kann, aber es bringt nichts, übermässig stolz darauf zu sein. Wenn ich vor einem Stein sitze, ist es egal, wo ich meine letzte Ausstellung hatte – das beeindruckt den Stein nicht.

Sie verdienten schon als 23-Jähriger Geld mit Ihrer Kunst, obwohl Sie kein Beziehungsnetz in der Schweiz hatten. Sie sind in Alexandria, Ägypten, geboren, und von dort mit Ihren Eltern in die Westschweiz geflohen.
Das fand ich immer schön: Ich konnte mir sicher sein, dass niemand einen Dana gekauft hat, weil er mit dessen Vater befreundet gewesen war. Ich musste mir alles selber aufbauen, auch das Beziehungsnetz; ich hatte nur meine Hände, meine Energie und meinen Willen, um die Menschen zu überzeugen. Das kann ein Vorteil sein. Wenn man den Trumpf der Verwurzelung nicht in den Händen hat, muss man die anderen Karten besser spielen – das wissen alle, die im Exil leben.
Wann und warum haben Sie mitder Bildhauerei begonnen?
Mit etwa zwölf Jahren fing ich an, etwas ausgefallene Objekte zu bauen. Es war für mich ein kindliches Vergnügen, komplexe Spielzeuge mit Motor zu konstruieren, ich konnte ganze Wochenenden damit zubringen, allein im Zimmer Tinguely-artige Konstrukte zu bauen. Das Ganze hatte eine kritische Note: Ich wollte die Konsumgesellschaft aufs Korn nehmen. Die Objekte wurden dann immer grösser, aber ich hielt das nicht für Kunst.

Wie reagierten Ihre Eltern, wenn Sie tagelang im Zimmer werkelten?
Es gab zwei Seiten: Sie waren ganz froh, dass ich mich so gut selber beschäftigen konnte, manchmal waren sie aber auch etwas besorgt, wie exzessiv ich das betrieb. Meist sagten sie sich: Es sieht weder gefährlich noch schädlich aus, also wird es gut sein. Aber sie waren schon erleichtert, dass ich eine solide Ausbildung absolvierte und nicht mit 15 Jahren erklärte, ich sei ein Künstler. Ich studierte Soziologie und unterrichtete später Mathematik. Zum Bildhauer wurde ich erst, als ich an der Hochschule der Künste in Genf erstmals ein Metallatelier betrat. Ich war augenblicklich fasziniert vom Geruch und Klang des Eisens, von den Funken, vom Schmiedeeisen. Ich wusste sofort: Das will ich machen.

Dann schufen Sie in 20 Jahren rund 200 Metallskulpturen, manche davon bis zu fünf Meter hoch. Ist Künstler für Sie ein Beruf wie jeder andere oder betrachten Sie es als Mission?
Es ist ein Beruf, der mir erlaubt, das zu tun, was ich liebe; er braucht sich nicht auf, je mehr ich mache, desto öfter sage ich mir: «Mein Gott, es gibt noch so viel zu tun.» Ich spüre keine Müdigkeit und sehe kein Ende. Deshalb ist es wohl kein Beruf wie jeder andere. Aber eine Mission, nein, das ist es nicht.

Eher eine Obsession? Oder könnten Sie auch etwas ganz anderes tun?
Ich könnte, aber ich möchte nicht. Ich empfinde es als grosses Privileg, in meinem Beruf die Dinge bis zu Ende verfolgen zu können; nicht bis zur Vollendung, eine Skulptur ist nie ganz vollendet, aber ich habe alles von A bis Z in meinen Händen. Oft werden in unserer Gesellschaft Dinge bloss zur Hälfte gemacht, es zählt der rasche Erfolg, der Showeffekt. Ich kann in meinem Atelier zehn Tage an einem Detail feilen, und niemand redet mir drein – das ist ein grosses Glück. So bin ich in gewisser Weise sehr frei, aber natürlich muss ich auch sehr diszipliniert und fordernd gegenüber mir selber sein. Die Steine verlangen mir viel Arbeit ab, manchmal 60, manchmal 80 Stunden pro Woche.

Leiden Sie bei der Arbeit oder ist das künstlerische Schaffen für Sie ein Genuss?
Leiden gehört dazu, denn ich habe viele Zweifel. Ich sage nie zu mir, «ach ist das grossartig», wenn eine Skulptur fertig ist. Im Gegenteil: Vor zwei, drei Jahren empfand ich zunehmend Unruhe und auch Angst.

Weshalb?
Ich fürchtete mich davor, in Dekoration oder Schmeichelei abzugleiten. Ich will ja nicht gefallen, sondern meine Sache gut machen, und ich hatte damals den Eindruck, dass der Weg, den ich gehe, immer schmaler wird.

Warum schaffen Sie derart grosse Steinskulpturen, oft vier oder fünf Meter hoch?
Wenn man in einem Steinbruch ist und diese grossen Gesteinsblöcke sieht, kann man sie unmöglich zertrümmern. Für mich ist das fantastisch, vor diesen Blöcken staune ich wie ein Kind, das erstmals einen grossen Lastwagen erblickt.

Aber es kompliziert Ihre Arbeit beträchtlich, wenn Sie 30 Tonnen Basaltgestein aus Schwedenherbeischaffen müssen . . .
Ja, es kompliziert und verteuert die Arbeit. Aber es hat für mich etwas sehr Beglückendes, an einem Gegenstand zu arbeiten, der mich übersteigt.

Was kostet es, einen Dana zu kaufen?
Die kleinsten Arbeiten kosten 8000 Franken, die teuersten rund 300000 Franken. Der Preis bemisst sich hauptsächlich an der Grösse und am Material. Die Skulpturen sind teuer, aber es sind keine Fantasiepreise.

Warum haben Sie vor acht Jahren aufgehört, mit Metall zu arbeiten, und sich ganz auf Stein konzentriert? Sie machten sich damit das Leben unnötig schwer.
Es war tatsächlich ein Risiko. Stein ist eine enorm faszinierende Materie. In Bronze und Eisen gibt es immer Hohlraum, der Stein dagegen ist ausgefüllt; er hat eine fantastische Statik und Ausstrahlung.

War der Wechsel Ausdruck eines Reifeprozesses?
Ja, die Arbeit am Eisen war immer auch ein wenig der Kampf des jungen Künstlers gegen die Materie, ein stetes Kräftemessen. Bei der Arbeit am Stein kann man nicht seine Kraft unter Beweis stellen, sondern lediglich Augenmass und Ruhe finden. Ich fühle mich eher als Archäologe denn als Bildhauer. Wenn man lange einen Kieselstein in einem Bachbett betrachtet oder ein Blatt an einem Baum, dann kann man sich fragen: Wozu soll man Skulpturen machen? Warum sich mit Hammer und Staub herumschlagen? Die Perfektion existiert ja schon in diesen ganz einfachen Formen der Natur. Ich versuche, das Schöne auf meine Art darzustellen, zu zeigen, wie ich es verstehe. Meine Arbeit ist für mich wie eine Versöhnung mit der Welt.

Woher kommen Ihre Gestaltungsideen?
Oft bedingt eine Skulptur die nächste. Ich bin als Künstler zwar dabei, aber die Skulpturen entwickeln sich wie eine eigenständige Geschichte, ich folge ihnen bloss, renne ihnen gelegentlich hinterher und muss schauen, dass ich sie nicht verliere, denn manchmal gehen sie rasch voran und ich komme ausser Atem.

Wenn Sie hinterherrennen, heisst das auch, dass Sie den Weg nicht kennen; und dieser Weg, sagten Sie, wurde vor ein paar Jahren immer schmaler. Haben Sie manchmal Angst, nicht mehr weitergehen zu können?
Weil meine Formen immer schlichter wurden, befürchtete ich tatsächlich, einen Punkt zu erreichen, an dem ich nichts mehr vereinfachen konnte – am Ende bliebe das Nichts, das Nichtstun. Mir war klar: Wenn der Weg zu eng wird, muss etwas geschehen. Zum Glück gibt es in der Natur immer Zufälle, durch Fehler entsteht Neues. Ich mag Fehler sehr. Eine Arbeit, die misslingt, gibt plötzlich den Anstoss, etwas Neues zu tun.

Woran arbeiten Sie gegenwärtig?
Vor einiger Zeit hat Alain Vos, mein Steinhauer, mir hellen Kalkstein aus Ägypten mitgebracht. Das ist etwas ganz anderes als schwarzer Basaltstein aus Schweden. Zu Beginn hatte ich keine Ahnung, was ich damit machen kann. Ich musste an kleinen Stücken ausprobieren, welche Gesetze mir die neue Materie auferlegt, welche Geschichte sie mir erzählt. Inzwischen bin ich ganz glücklich mit dem Kalkstein. Dieser hier stammt aus der bekannten Weinregion Tavel in Südfrankreich. Er ist sehr fein, sehr weich. Ich musste alles vergessen, was ich über die Arbeit am Stein gelernt hatte, um den Kalkstein zu begreifen.

Was hat sich konkret verändert?
Der Kalk gibt mir die Möglichkeit, mehr Formen auszuprobieren. Weil er weich ist, kann ich viel schneller arbeiten damit. Ich mache ja nie Skizzen von meinen Skulpturen, ich beginne immer mit der Arbeit am Stein. Das neue Material erlaubt mir, etwas flüchtiger, etwas experimenteller zu arbeiten, Skizzen in Stein zu erstellen. Es ist, als hätte ich immer nur Ölbilder gemalt und dürfte nun erstmals einen Bleistift benutzen. Das ist sehr befreiend und es passt zu meiner derzeitigen Verfassung. Vor zwei Jahren stand meine Arbeit im Zeichen der Unsicherheit und der Unruhe. Sie war nahezu minimalistisch, ich machte möglichst wenig mit dem Stein, um ihn in seiner schönsten Form zu zeigen; und doch war es eine sehr anstrengende Arbeit. Heute gehe ich zum Teil spielerisch an den Stein heran. Ich bin fokussiert, tatendurstig und fast euphorisch.

Was motiviert Sie, jeden Morgen hier ins Atelier zu kommen und neue Skulpturen zu schaffen?
Die Motivation hat sich mit der Zeit gewandelt. Zu Beginn wollte ich vor allem meine artistischen Fähigkeiten zeigen, manchmal auch provozieren; heute suche ich eher nach etwas in meinem Inneren. Ich würde es nicht Wahrheit nennen, ich versuche eher, etwas Überschaubares zu schaffen, das uns erlaubt, etwas Grösseres zu erraten. Ich möchte aber auf keinen Fall dieses Vollendete finden, ich möchte nie bei einer letzten Skulptur ankommen, von der ich sagen müsste: «Voilà, das ist die Summe dessen, was ich gelernt und verstanden habe.»

Es gibt Künstler, die im Alter damit beginnen, ihre frühen Werke zu kopieren. . .
. . . und manche davon kopieren sich furchtbar schlecht. Es gibt schreckliche Künstlerkarrieren. Das ist eine Besonderheit in unserem Beruf: Wir schöpfen so sehr aus unserem Inneren, dass wir nie genau wissen, wie lange das noch gut gehen wird.

Haben Sie noch unverwirklichte Träume?
Solange ich gesund bleibe und diese körperlich anstrengende Arbeit weiterführen kann, muss ich von nichts träumen. Ich bin jeden Morgen glücklich, wenn ich hier ins Atelier kommen und mich am Stein zu schaffen machen kann.


April 2009