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«Ich nahm mein Geld vom Konto und steckte alles in die Firma»

«Es war die Hölle», sagt Carola Schoch, wenn sie sich an ihre Zeit bei einem Beratungsunternehmen erinnert, und ergänzt: «24 Stunden verfügbar, Null Kooperation, jede Menge Neid.» Schoch entschied sich für den Ausstieg und baute «Zueri City Boot Camp» auf, ein Ganzkörpertraining unter freiem Himmel mitten in Zürich. Aufgrund der grossen Nachfrage will sie nun expandieren.

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: Renato Morichetti


Kontakt und weitere Informationen:
www.zuericitybootcamp.com oder www.teaminmotion.ch



Frau Schoch, Sie haben sich in den letzten 18 Monaten Schritt für Schritt von der Bürowelt verabschiedet und mit einem Sport-Angebot selbständig gemacht. Warum haben Sie den bequemen und sicheren Angestellten-Status aufgegeben?

CAROLA SCHOCH: Bequem und sicher? Ich habe etwas Anderes erlebt. Ich war sechs Jahre in einem nationalen Tourismusbüro tätig, zuletzt als Marketing Managerin mit Verantwortung für Lateinamerika und Portugal. Ich habe viele Umstrukturierungen miterlebt, Stellen wurden wegrationalisiert, langjährige Mitarbeiter von heute auf morgen auf die Strasse gestellt. So etwas geht auch an den Zurückbleibenden nicht spurlos vorbei. Man fragt sich dann öfter: Warum mache ich das eigentlich? Wie gerecht sind solche Entscheidungen und wie sinnvoll ist meine eigene Arbeit?

Dass Sie vor drei Jahren in die Schweiz kamen, hatte aber mehr mit der Liebe als mit einer Sinnkrise im Job zu tun.

Beide Faktoren spielten eine Rolle. Tatsächlich zogen wir wegen der Arbeit meines damaligen Partners in die Nähe von Lausanne, wo ich den Master in Sport-Management und Technologie in Angriff nahm. Mir wurde in dieser Zeit klar, dass ich eine Arbeit machen möchte, die einen sozialen Nutzen stiftet. Erst dachte ich an Coaching, doch schliesslich schien es mir passender, Sportkurse anzubieten. In meinem Leben hatte der Sport immer eine zentrale Rolle. Er half mir, Stress abzubauen, auf neue Gedanken zu kommen, mich voll ins Zeug zu legen und aus mir herauszugehen. Vermutlich sind mir dank dem Sport mehrere Burnouts erspart geblieben.

Warum haben Sie dann vor zwei Jahren in Zürich eine Stelle als Marketing Managerin in einer internationalen Unternehmensberatung angenommen?

Das Leben hält sich oft nicht an unsere Pläne. Meine Beziehung ging in die Brüche, ich konnte es mir nicht leisten, ohne festen Job in der Westschweiz zu bleiben. So landete ich in der Beratung in Zürich. Im Rückblick muss ich sagen: Es war die Hölle. Ich meine nicht die hohen Ansprüche oder die viele Arbeit, damit hatte ich gerechnet. Aber dass alle versuchen, mit den Ellbogen die anderen wegzudrücken und auf ihre Kosten aufzusteigen, fand ich enorm anstrengend. Ich blieb keine zwei Jahre, in dieser kurzen Zeit sind gleich mehrere Kollegen aus meiner Abteilung an Burnout erkrankt und ausgefallen. Kein Wunder: Von allen wird erwartet, dass sie 24 Stunden verfügbar sind, gleichzeitig gibt es Null Kooperation und überall Neid und Konkurrenzdenken. Das ist seelisch schwer auszuhalten. Entsprechend setzen sich Leute durch, die ziemlich unsensibel sind.

Wie haben Sie reagiert?

Mir hat das alles sehr zugesetzt, auch gesundheitlich. Jeden Sonntag Abend dachte ich: «O Gott, morgen ist wieder Montag, da muss ich ins Büro.» Wenn immer möglich, habe ich vom Home Office aus gearbeitet. Und ich reduzierte mein Pensum, um nebenher meine Selbständigkeit aufbauen zu können. Denn Zürich ist sehr inspirierend für Leute, die etwas Eigenes aufbauen wollen. Ich nahm eine Kinesiologie-Ausbildung in Angriff, lancierte das Projekt Zueri City Boot Camp und die Urlaubsplattform Apulienhaus. So konnte ich mich zunehmend besser abgrenzen und entwickelte ein neues Standbein für mich.

Boot Camps kennt man aus dem Kampfsport respektive aus dem militärischen Umfeld. Kommen die Leute zu Ihnen zum Drill?

Nein, ich biete einfach ein intensives und effektives Ganzkörper-Workout an für Einzelpersonen und Teams. Es soll schweisstreibend sein und jedem Teilnehmer ermöglichen, an seine Grenzen zu gehen, aber meine Trainings sind frei von allem Militärischen. Charakteristisch ist, dass wir mitten in der Stadt draussen trainieren, mit natürlichen Trainingshilfen wie Treppen, Parkbänken, Laternen, Fahrradständern und Bootsverankerungen – das macht viel mehr Spass, als in ein stickiges Fitnessstudio hinunterzusteigen und sich alleine abzumühen. Wenn Teams ein Training buchen, kann ich stärker den Kommunikationsaspekt einbeziehen. Die Trainings wirken deshalb auf körperlicher, mentaler und strategischer Ebene. Ich habe es in den letzten Monaten mehrfach erlebt, wie Sportmuffel zu Sportfanatikern wurden, die sogar bei Schnee oder Regen draussen trainieren wollten.

Sie haben vor drei Monaten ganz gekündigt und setzen jetzt nach einjähriger Vorlaufzeit ganz auf die Selbständigkeit. Hatten Sie schlaflose Nächte?

Das nicht, nein, aber es gab schon einige Krisen, und der Zweifel ist ein treuer Begleiter. Die Resonanz ist aber überwältigend. Die Kurse werden viel besser gebucht, als ich es mir erhofft hatte, was dazu führt, dass nun schon neun Trainer für meine Boot Camps im Einsatz sind. Zudem gab es sehr viele Anfragen von Unternehmen und Kooperationspartnern, etwa dem Gesundheitszentrum Medbase. Ich hatte das erste Jahr als Probejahr deklariert, auch, um mir ein wenig Druck wegzunehmen. Aber nun kann ich die Angebotspalette laufend erweitern und es ist klar, dass ich da am Ball bleiben will. Ich suche nun Partner, die das Projekt in anderen Städten wie Bern oder St. Gallen lancieren und betreiben.

Gibt es denn keine Konkurrenz?

Vor einem Jahr war ich die einzige, die das als Boot Camp anbot, jetzt durch den Boom sind einige Nachahmer auf dem Markt. Deswegen will ich künftig enger mit Unternehmen zusammenarbeiten und massgeschneiderte Events durchführen.

Können Sie bereits vom Unternehmertum leben?

Ja, ich kann schon recht gut davon leben, aber keine grossen Sprünge machen. Zu Beginn war es ein reines Spassprojekt, ausgelöst und angetrieben einzig von einem Übermass an Emotionen. Jetzt muss ich mich zwingen, etwas öfter zu rechnen. Es ist verrückt: Ich kannte ja all die Strategie- und Finanzinstrumente, aber ich machte weder Businessplan noch Budget, sondern nahm einfach mein Geld vom Konto und steckte alles in den Firmenaufbau. Das lief so kopflos ab, dass ich zwischenzeitlich nicht recht wusste, wie ich jetzt die Miete zahlen sollte. Dadurch kam viel Energie in die Sache. Hätte mir jemand eine Menge Geld geliehen, wäre es nicht das Gleiche gewesen. Nun muss ich einfach aufpassen, dass mein Ehrgeiz und mein hoher Anspruch an alles, was ich mache, nicht zu übertriebenen Zweifeln und Selbstausbeutung führen.

Das Projekt Apulienhaus führen Sie weiter?

Das lief eben auch noch parallel. Ich machte Tausende von Kilometern in Italien, um die schönsten Ferienhäuser zu finden, die ich zur Vermietung ausschreiben wollte. In solchen Phasen glaube ich dann immer, ich sein eine Superwomen, die das schon alles irgendwie auf die Reihe bekommt. Aber das ist natürlich eine Illusion. Deswegen will ich das Apulienhaus-Projekt nun abgeben und mich ganz auf den Ausbau der Boot-Camp-Idee konzentrieren. Man kommt ja leicht unter Druck als Ein-Frau-Unternehmen. Immer, wenn ein neuer Konkurrent auftaucht, habe ich einen kurzen Moment Panik und weiss dann, dass ich mich nicht ausruhen darf.

Gibts neben der Panik auch Momente den Stolz über das Erreichte?

Ja, wenn ich einen Moment innehalte, finde ich es schön, was ich in 1,5 Jahren alles geschafft habe. Und mein Partner will nun auch einsteigen – viele andere wären längst davongelaufen, er unterstützt mich jeden Tag (lacht). Beeindruckend fand ich, wie steil die Lernkurve ist. In einem Grossbetrieb hat man Spezialisten für alles und kann sich auf sein Fachgebiet und die unvermeidlichen Machtkämpfe konzentrieren. Als Unternehmerin musste oder durfte ich mich um alles selber kümmern. Es gab unendlich viele Entscheidungen zu fällen, kleine und grosse, und jede einzelne macht dich stärker. Vor allem lernst du: Alles braucht seine Zeit, vieles kann man nicht erzwingen, sondern es kommt darauf an, im richtigen Moment parat zu sein.


22. Juni 2013