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«Ich helfe dem Zufall ein wenig auf die Sprünge»

Als Eva Pauline Bossow fürs Berner Symphonieorchester eine Publikumsbefragung vorbereitete, wurde ihr klar, dass bei jedem Konzert viele Alleinstehende im Saal sitzen. Was lag näher, als diese miteinander bekannt zu machen? Ein erstes Pilotprojekt fand so viel Anklang, dass Bossow die Idee «Konzertliebe» weiterentwickelt hat und zur Unternehmerin geworden ist.

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: Jessica Allemann


Kontakt und weitere Informationen:
www.konzertliebe.ch

 

Frau Bossow, Sie haben Wirtschaft, Kommunikationswissenschaften und Psychologie studiert und später das Projekt Konzertliebe lanciert, bei dem sich Singles im Konzertsaal näher kommen. Wie kamen Sie auf die Idee, ein solch ungewöhnliches Angebot zu lancieren?
EVA PAULINE BOSSOW: Nach Abschluss des Studiums und einer Zusatzausbildung zur Goldschmiedin übernahm ich beim Berner Symphonieorchester den Auftrag, eine empirische Publikumsbefragung durchzuführen. Bei der Literaturrecherche las ich in einer Studie, dass bei klassischen Konzerten der Anteil von Singles im Publikum am höchsten sei, am zweithöchsten bei Jazz-Konzerten. Da dachte ich spontan: «Wenn so viele Alleinstehende bei uns im Saal sitzen, müsste man sie eigentlich miteinander bekannt machen.» Die Idee liess mich nicht mehr los, und ich überlegte mir, wie ich ein charmantes Angebot für Singles gestalten könnte.

Erhielten Sie sofort grünes Licht von Ihrem Arbeitgeber?
Ja, das BSO fand die Idee gut und unterstützte mich. Gleich im ersten Anlauf erhielten wir über 230 Anmeldungen. Weil zu viele Frauen dabei waren, konnten wir nur 166 berücksichtigen bei der ersten Veranstaltung. Spannend und schön war, dass sich die Altersspanne der Konzertliebe-Gäste von 21 bis 76 Jahren auffächerte.

Und Sie spielten Liebesgöttin?
Die Interessierten mussten ihr Alter angeben und vermerken, welches Geschlecht ihr «Blind Date» haben sollte. Ich spielte dann im Vorfeld ein wenig Amor, indem ich die Sitzordnung festlegte. Es war ja kein Single-Treff, sondern ein ganz normales BSO-Konzert, bei dem 166 Plätze für Besucherinnen und Besucher reserviert waren, die nicht ausschliesslich der Musik wegen kamen. Die regulären Besucher wussten nichts von dieser Untergruppe, das war mir wichtig. Zudem achtete ich schon bei diesem ersten Anlass darauf, Konzertliebe richtig gegenüber den Partnervermittlungen abzugrenzen: Ich biete einfach eine schöne Gelegenheit und helfe dem Zufall etwas auf die Sprünge – ohne Erfolgsdruck oder Marktcharakter. Alle wissen voneinander, dass sie alleinstehend sind, Lust haben, neue Menschen kennenzulernen, und die Musik geniessen. In der Pause und nach dem Konzert treffen sich die «Konzertliebe»-Gäste in einer Lounge zum Plaudern.

Warum haben Sie die Idee danach nicht weiterverfolgt?
Ich erhielt unglaublich viele positive Rückmeldungen. Einige Freunde fragten besorgt, wie ich denn damit Geld verdienen wolle. Für mich war es ein Hobby, eine Herzensangelegenheit, kein Geschäftsmodell. Als ich beim BSO zur Medienverantwortlichen befördert wurde, hatte ich so viel zu tun, dass ich alles ruhen lassen musste – obwohl es viele Anfragen gab, wann das nächste solche Konzert stattfinde. Dann erhielt ich zweimal einen Wink des Schicksals: Durch die Fusion von BSO und Stadttheater war der Moment reif für eine Neuorientierung, gleichzeitig lernte ich in dieser Zeit durch einen Zufall meinen heutigen Geschäftspartner kennen, einen erfahrenen Manager.

Und Sie waren entschlossen, sich damit selbständig zu machen?
Ich wusste schon in jungen Jahren, dass ich Unternehmerin werden und etwas aufbauen will. Ein Unternehmen zu gründen ist immer mit Risiko verbunden, aber da ich keine vier Kinder und keine Hypothek auf einer Villa hatte, war ich bereit, etwas zu wagen. Zudem ist die Kombination von Musik, Psychologie und Wirtschaft exakt auf mich zugeschnitten. Meine Eltern hat meine Wahl sicher die eine oder andere schlaflose Nacht gekostet. Ich habe bewusst keines der Stellenangebote angenommen, sondern die Herausforderung gewählt, etwas Neues zu kreieren. Mein Kopf und mein Bauch waren sich absolut einig.

Haben Sie inzwischen eine Antwort parat, wenn Ihre Freunde Sie fragen, wie sich das rechnen kann?
Wir sind ein Start-up, und da heisst es zu Beginn: investieren und experimentieren. Im Februar haben wir drei «Konzertliebe»-Anlässe durchgeführt. Beim Fado-Abend im Kaufleuten und beim Konzert in der Tonhalle war ein Teil der Plätze für unsere Gäste reserviert, zusätzlich organisierten wir selber einen Klavierabend im Zunfthaus zur Meisen in Zürich als Exklusiv-Konzert für unsere Gäste. Für uns war das ein Testlauf. Die Nachfrage war so gross, dass wir sofort weitere Konzerte planten. Zu den Konzerten in Zürich kamen ein Drittel der Singles aus Bern, je ein Teilnehmer reiste sogar aus Rom respektive St. Germain (Frankreich) an. Beim Essen und Trinken nach dem Konzert herrschte nach kurzer Zeit eine Stimmung wie beim Klassentreffen. Nun finden im April und Mai drei weitere Konzerte statt, zwei davon in Bern.

Die Teilnahme kostet zwischen 150 und 200 Franken – inklusive Konzert, Verköstigung und dem ganzen Arrangement. Können Sie das Unternehmen damit finanzieren?
Einstweilen können wir nicht davon leben, aber nach der Startphase sollte das möglich sein. Wir peilen eine Mischfinanzierung durch die Teilnehmenden, die Konzertveranstalter und Sponsoringpartner an. Unser Angebot ist für viele Kulturinstitutionen interessant, weil wir ihnen neue Kundschaft bringen. So arbeiten wir in Zukunft beispielsweise auch mit dem Zentrum Paul Klee und dem Zürcher Kammerorchester zusammen.

Ist das nicht eine seltsame Versuchsanordnung: Man geht ans Konzert, aber eigentlich sucht man einen Partner.
Nein, das ist ja gerade der grosse Vorteil: weil nicht die Partnersuche im Vordergrund steht, sondern der Konzertgenuss, läuft alles viel unverkrampfter ab. Wenn man dann jemanden näher kennenlernt, hat man die Gewissheit, schon mindestens eine Passion zu teilen. Die Liebe zu einer bestimmten Musikrichtung ist ein guter Filter. Wenn ich zum Speed-Dating gehe, kann es sein, dass ich in den sieben Mal zehn Minuten sieben Männern gegenübersitze, mit denen ich nur das Alter teile. Deshalb braucht man angeblich rund 80 Anläufe, um auf diesem Weg einen Partner zu finden. Ü30-Partys, wo sich gegen Ende des Abends alles darum dreht, jemanden mit nach Hause zu nehmen. Andere Singles gehen zur Partnervermittlung, zahlen einen vierstelligen Betrag, gehen einen Vertrag ein und bekommen dann teilweise kaum Vorschläge. Singles haben es nicht leicht – ich bin froh, bin ich nicht auf der Suche (lacht).

Als Unternehmerin sind Sie durchaus auf der Suche nach Männern.
Ja, das ist verrückt: Normalerweise gibt’s doch überall einen Männerüberschuss, auf Partys, bei Online-Portalen etc. Wir hingegen gehen auf Männersuche.  Ich muss mir da etwas einfallen lassen, wie wir besser an die Männer herankommen. Frauen bringen jeweils gerne ein Freundin mit, Männer offenbar nicht.

Haben Sie schon Ausbaupläne für das junge Unternehmen?
Wenn einzelne Gäste aus dem Ausland zu «Konzerliebe»-Anlässen anreisen, liegt natürlich der Gedanke nahe, auch in Deutschland oder Österreich etwas Vergleichbares zu machen. Oder wir könnten auch thematisch expandieren, ein breiteres Themenspektrum anbieten. Etwas vom Ersten, was ich als Unternehmerin gelernt habe, ist allerdings, dass man sich nicht verzetteln sollte. Es gibt so viele Herausforderungen in den ersten Monaten, dass man das Geschäft zunächst besser klein, aber fein belässt. Einstweilen liegen mir die Schweizer Herzen am Herzen, alle anderen müssen warten. Laut Studien von Online-Partnervermittlern sind in den Städten rund 25 Prozent der Erwachsenen Single – es gibt also noch viel zu tun.


April 2013