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«In meinem Keller finden die Chefs eine Oase zum Ausspannen»

Als seine Eltern noch hofften, aus ihm werde «etwas Rechtes», entschied sich Iwan Hauck, Carrosseriespengler zu werden. Später verschlug es ihn in die Dominikanische Republik, wo er einem Fremden erst seinen Pass und dann sein Erspartes anvertraute, um in die Zigarrenproduktion einsteigen zu können. Der Mut zum Risiko hat sich ausbezahlt: Heute steigen die, welche Karriere gemacht haben, regelmässig zu Hauck in den Keller – nicht nur wegen des Rauchens.  

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: Bernhard Haldemann


Kontakt und weitere Informationen:
www.caribean-tabaco.ch oder info@caribean-tabaco.ch

Herr Hauck, Sie sind gelernter Carrosseriespengler und betreiben im Untergeschoss Ihres Hauses einen mit Plastikpalme und bunten Lämpchen geschmückten Degustationsraum. Dem Vernehmen nach sind regelmässig die Chefs grosser Firmen bei Ihnen zu Gast. Was suchen diese viel beschäftigen Manager hier?
IWAN HAUCK: Vordergründig kommen sie wegen meiner Zigarren, aber vermutlich spielt noch etwas anderes mit. Viele, die diesen Ort der Ruhe besuchen, stehen beruflich permanent unter hohem Druck. Hier in Köniz in meinem Haus haben sie eine kleine Oase, in der sie ausspannen und sich selber sein dürfen. Ich höre ihnen zu und erzähle nichts weiter, bin also sozusagen ihr Coiffeur, einfach nur mit kleiner Schere zum Zigarren anschneiden.

Man hat trotzdem Mühe, sich Manager im Anzug in diesem Raum vorzustellen.
Die Firmenchefs, die hier Halt machen, verkehren sonst an den besten Adressen, sie können sich alles leisten bis hin zum Marmortempel. In diesem Keller hilft Geld nicht weiter, hier kommen sie nur rein, wenn sie mich anrufen und ich die Türe öffne. Dafür müssen sie danach nichts darstellen. Das ist wohl der Grund, warum Manager, die im Geschäftsalltag keine freie Viertelstunde haben, sich vom Chauffeur für eine Stunde oder zwei bei mir absetzen lassen. Es kommen aber nicht nur hohe Tiere, sondern sehr viele Zigarrenliebhaber, die den Genuss und die Gemütlichkeit lieben.

Sie stammen aus einer Juristenfamilie, Ihr Vater war Manager in einem amerikanischen Konzern. Wie kam es, dass Sie Carrosseriespengler lernten?
Ich wollte immer mit meinen Händen arbeiten. Als Knirps zerlegte ich alle Spielzeugautos in ihre Einzelteile und baute sie neu zusammen. Später flickte ich den Mixer und den Fernseher, baute Baumhütten und erfand neue Geräte. Da ich unbedingt Carrosseriedesign und Fahrzeugbau in München studieren wollte, lag es auf der Hand, die Lehre zum Carrosseriespengler zu machen, auch wenn meine Eltern mehrmals fragten, ob ich nicht die Matur machen, studieren und «etwas Rechtes werden» wolle. Mein Vater hat sich nie ganz mit meinem Weg abgefunden.

Und Sie sind nie nach München gegangen.
Ein Unfall in der Rekrutenschule durchkreuzte meine Pläne. Ich war 18 Monate lang arbeitsunfähig, musste IV-Abklärungen über mich ergehen lassen und zuhause sitzen. Ich las in dieser Zeit alles, was mir in die Hände fiel, und kam auf viele schräge Ideen. Weil die Enthaarungscreme meiner Partnerin so schrecklich roch, entschloss ich mich, ein kleines handliches und umweltfreundliches Enthaarungsgerät zu entwickeln. Ich fand einen Patentanwalt, der mir sympathisch war, weil er im Sommer jeweils auf dem Zeltplatz wohnte, und lernte von ihm, wie man ein Produkt schützen kann. Für die Verpackung fragte ich bei Knorr an; deren Suppenstreuer hatte die perfekte Grösse für mein Enthaarungsgerät. Tatsächlich lieferte mir Knorr wenige Tage später 10’000 Verpackungen gratis und franko. Schliesslich fand ich dank glücklichen Zufällen eine Stelle bei Swingbox System, dem Ingenieurbüro von Christoph Müller, das auf Erfindungen und Entwicklungen spezialisiert war. Mit ihm brachte ich das Enthaarungsgerät in die industrielle Produktion. Sechs Jahre nach meiner Idee kam es auf den Markt, mit professioneller Verpackung, edlem Design und richtiger Gebrauchsanleitung.

Wurde es ein Erfolg?
Kommt darauf an, was man unter Erfolg versteht. Ich empfand eine unglaubliche Befriedigung, als das Gerät im Handel zu kaufen war. Zu Beginn hatten ja viele Leute hinter meinem Rücken gesagt: «Mit dem Hauck stimmt etwas nicht.» Aber reich wurde ich nicht damit, denn bald kam übermächtige Konkurrenz wie Philips und verdrängte die Kleinen. Viel Prestige brachte es mir auch nicht ein. Aber ich habe in meinem ganzen Leben nie Dinge gemacht, um Geld zu verdienen, sondern weil ich eine Idee im Kopf hatte, die ich unbedingt verwirklichen wollte.

Wie kamen Sie erstmals mit Zigarren in Berührung?
Ich hatte schon früh gerne gut gegessen und geraucht. Eines Tages fragte mich ein Kollege, der früher in der Dominikanischen Republik gelebt hatte, ob ich ihn auf eine Reise in die Karibik begleiten wolle. Als wir in Santo Domingo landeten, hatte ich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Dank meinem Kollegen lernte ich viele Menschen und viele Zigarren kennen. Und ich sah, dass Davidoff sich anschickte, die Produktion im grossen Stil auf die Insel zu verlegen. Zurück in der Schweiz verteilte ich ein paar Zigarren unter meinen Freunden und erhielt dafür viele Komplimente. Bald flog ich wieder in die Karibik und schlug Zigarrenproduzenten vor, ihre Produkte in die Schweiz zu importieren. Als Greenhorn hatte ich aber keine Chance. Bei meinem dritten Aufenthalt meinte es das Schicksal gut mit mir. Als ich beim Mittagessen sass, ging ein Mann mit Panamahut auf dem Kopf und Zigarre im Mund an meinem Tisch vorbei. Der Duft war so herrlich, dass ich ihn augenblicklich fragte, was er da rauche. «Meine eigenen Zigarren», antwortete der Fremde – ein Kubaner, der in Venezuela mit Computer-Hardware gehandelt, in Toronto seine deutsche Frau kennengelernt und sich schliesslich in der Dominikanischen Republik niedergelassen hatte.

Ein Türöffner für Sie?
Der Kubaner kannte das Zigarrenhandwerk bestens und wollte etwas Eigenes aufbauen. Ich fragte ihn, ob ich da mitmachen könne. Er bestellte mich für den nächsten Tag in ein Restaurant und sagte mir, ich solle meinen Schweizer Pass mitnehmen, damit er alles bei seinem Anwalt regeln könne. Tags darauf händigte ich ihm meinen Pass aus und liess ihn ziehen. Als er nach zwei Stunden nicht zurück war, wurde ich nervös, denn für ihn war der Schweizer Pass gut und gerne 50’000 Franken wert und ich wäre in einer blöden Situation gewesen ohne meine Papiere. Schliesslich kam er zurück und sagte mir grinsend, er sei die ganze Zeit hinter der Bar gestanden und habe mich beobachtet. Von ihm aus stehe einer Partnerschaft nichts im Weg, es gebe nur ein Problem: er habe kein Geld für den Aufbau des Geschäfts. Da ich ein gutes Gefühl hatte und sich ein Hauskauf nicht wie geplant hatte realisieren lassen, liess ich mein Erspartes via Western Union nach Santo Domingo schicken, händigte dem Kubaner das Geld aus und drückte ihm die Hand, um unsere Zusammenarbeit zu besiegeln.

Sie haben keinen Vertrag unterzeichnet?
Wozu, wenn der Bauch sagt, dass es richtig ist? Ich stamme zwar aus einer Juristenfamilie, aber ich hasse Verträge. Wenn es gut läuft, braucht man sie nicht, wenn man Streit bekommt, nützen sie nichts. So starteten wir im Oktober 1997 ins Abenteuer Zigarrenproduktion. Ich reiste zurück in die Schweiz und baute die Marke auf. «La Fuente» sollte unsere Linie heissen – an der Quelle zum Genuss. In wenigen Wochen bereite ich die Internetseite caribean-tabaco.ch auf, einer der ersten Web-Shops in dieser Branche. Wenn ich mit meinem Geschäftspartner telefonierte, versicherte er mir jedes Mal: «Wir haben hier alles im Griff, im Dezember trifft die erste Lieferung ein.»

Wann kam sie wirklich?
Sie wäre vermutlich nie eingetroffen, wenn mir nicht im Frühling der Geduldsfaden gerissen wäre und ich Last-Minute nach Santo Domingo geflogen wäre. Als ich bei der Zigarrenfabrik eintraf, erlebte ich mein blaues Wunder: Es war ein unglaublicher Hühnerhaufen. Ich versuchte während Tagen, ein Minimum an Strukturen und Regeln einzuführen, aber ich merkte schnell, dass ich sehr viel von der karibischen Mentalität annehmen musste, damit die Dominikaner ein paar von meinen Ideen aufnahmen. Es wurde dann August 1998, bis die ersten 3200 Zigarren aus eigener Produktion eintrafen. In meinem persönlichen Umfeld reagierten die Abnehmer begeistert, die Zigarrenläden, die ich zwecks breiterem Vertrieb kontaktierte, lachten mich dagegen aus und sagten: «Dich gibts schon in einem Jahr nicht mehr.» Da ich schon damals sehr gerne kochte und gut ass, fand ich rasch gute Abnehmer in der gehobenen Gastronomie. Auch mein Freundeskreis erweiterte sich dank der guten Zigarren rasch. Die Nachfrage stieg und stieg – und gleichzeitig sank die Qualität.

Warum?
Es brauchte eine neuerliche Reise in die Karibik, damit ich begriff, warum plötzlich der Wurm drin war. Mein Geschäftspartner verkraftete den Erfolg nicht so gut, er spielte sich als Dorfkönig auf, leistete sich teure Autos und schöne Frauen. Als seine deutsche Frau die Geduld verlor und ihn verliess, wurde alles noch schlimmer. Er verkaufte den hochwertigen Tabak und die Zigarren hinter meinem Rücken auf eigene Rechnung in die USA und belieferte mich mit minderwertiger Ware. Ich realisierte spät, aber gerade noch rechtzeitig, dass das Haus in Vollbrand stand. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich von meinem Partner zu trennen. Ein emotionaler Tiefschlag. Zum Glück waren genug fähige Leute im Betrieb, so dass wir das Steuer herumreissen konnten. So rasant die Talfahrt gewesen war, so steil ging es wieder aufwärts in den nächsten Jahren. Und dann, am 1. Januar 2006, erhielt ich das vielleicht schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens.

Was war das?
Ein Anruf aus der Dominikanischen Republik. Es meldete sich ein Schweizer Manager, der nach beeindruckender Karriere ausgestiegen war, um sich den schönen Dingen des Lebens zuzuwenden. «Du bist doch der Fuente», sagte er. Und weiter: «Du machst wunderbare Zigarren, aber ich weiss, dass du ein paar Probleme hast, denn ich stehe hier in deinem Produktionsbetrieb. Wenn du willst, helfe ich dir, noch zwei Klassen besser zu werden.» Sein Engagement gab uns einen unglaublichen Entwicklungsschub. Unter anderem kauften wir eine benachbarte Schreinerei, um die Zigarrenkisten in eigener Manufaktur herzustellen. Ich gab meinen Job im Ingenieurbüro auf und widmete mich ganz den Zigarren. Und kaum hatte ich den Dingen ihren Lauf gelassen, passierten die verrücktesten Sachen.

Sie meinen die Begegnung mit Dieter Meier von der Gruppe Yello?
Ja, zum Beispiel. Yello war in meiner Jugend unglaublich wichtig. Als ich mit 13 Jahren eine Schülerdisco organisierte, war die Musik von Yello und Kraftwerk Kult. Um die Person Dieter Meier hatte ich mich nie gekümmert. Dann sah ich, dass Meier an einem Freitag Abend im Landhaus Liebefeld seinen Rotwein und sein Rindfleisch aus Argentinien vorstellen würde. Weil meine Partnerin in Argentinien geboren ist und ich eine Schwäche für gutes Rindfleisch habe, gingen wir hin. Jos de Wolf, der Wirt, platzierte uns am Tisch von Dieter Meier und so kam es, dass dieser mich beiläufig fragte, was ich beruflich mache. Ich überreichte ihm eine «Guama», eine besonders aufwendig gefertigte Zigarre. Meier war trotz wütenden Protesten nicht davon abzuhalten, diese an Ort und Stelle zu rauchen. Gegen Ende des Abends fragte er mich: «Was hat einer wie du für Visionen?» Ich sagte ihm, dass ich einen eigenen Kaffee produzieren, Schokolade machen und Rum brennen will. Er lachte und meinte: «Lass uns das doch zusammen realisieren.» Er drückte mir einen Geldschein in die Hand, bat mich, ihm eine Schachtel «La Fuente»-Zigarren zu schicken und mir dann mehr über die Kaffeepläne zu erzählen.

Das klingt, als würden Ihnen immer die richtigen Partner zur richtigen Zeit in die Arme laufen.
Ja, so empfinde ich das auch. So lernte ich damals auch meine Lebenspartnerin kennen, die all das mitgetragen hat. Ein weiterer Zufall sorgte dafür, dass ich via einen alten Kollegen, der ausgewandert war und in diesen Tagen in der Schweiz weilte, in Kontakt kam mit einem Kaffeebauer aus Santo Domingo, der keine 100 Kilometer von meiner Tabakplantage entfernt arbeitete. Ich gab einem Freund bei Blaser Café ein Muster zur Analyse und erfuhr von ihm, dass diese Kaffeebohne hervorragend sei. Meier und ich überzeugten den Kaffeebauer, für uns Spitzenqualität zu liefern, sprich: oben in den Bergen an bester Lage während der Reifezeit des Kaffees, täglich nur die wirklich reifen Bohnen zu ernten. Mein Freund Marc Käppeli, der Blaser Café in vierter Generation leitet, unterstützte uns von Anfang an. So entwickelten wir mit den Experten von Blaser Café das ideale Röstprofil und schufen den Ocoa Highland Single Estate Kaffee. Die Nachfrage ist erfreulich, obwohl wir noch kaum Werbung gemacht haben.

Der Traum von der Rum-Brennerei liess sich nicht realisieren bis jetzt?
Doch, aber das braucht Zeit, weil ich nicht einfach beliebigen Rum importieren und mein Logo draufkleben wollte. Auch diesmal half der Zufall mit. Ich lernte Hans Baumberger kennen, der in Langenthal den wunderbaren Langatun-Whisky brennt, und erzählte ihm von meinen Plänen. Er ermutigte mich, wie geplant Melasse von einem Bio-Produzenten in Paraguay zu importieren, bei ihm den Rum zu brennen und in hochwertigen Holzfässern in den Katakomben des Ammann-Industrieareals zu lagern. Ich berichtete Dieter Meier, das Rumproblem sei gelöst, wir müssten bloss noch die besten Fässer aus ganz Europa herbeischaffen. «Kein Fass älter als einjährig», war unsere Maxime, auch wenn wir wussten, dass kein Winzer und kein Brenner sich gerne von so jungen Fässern trennt. Nun haben wir die ersten Abfüllungen gemacht und schon nach wenigen Monaten zeigt sich, wie unterschiedlich sich der Rum entwickelt je nach Fass. In drei bis vier Jahren werden wir mehr wissen.

Inzwischen würden die grossen Händler vermutlich gerne mit Ihnen zusammenarbeiten.
Ja, sogar Dieter Meier versuchte mich zu überzeugen, seinen Lieblingshändler in Zürich mit Zigarren zu beliefern. Das ist für mich kein Thema. Ich will klein und frei bleiben. Sobald etwas überall erhältlich ist, verliere ich die Kontrolle und das Produkt wird beliebig. Ich will doch nicht, dass meine Zigarren am Ende beim Discounter zu Spottpreisen verkauft werden. Lustig ist auch, dass plötzlich Banker auftauchen, die mich unbedingt an die Börse bringen wollen. Wachstum und Reichtum haben mich wirklich nie interessiert. Der ehemalige Henniez-Besitzer, mit dem ich befreundet bin, nannte mich kürzlich «den freisten Menschen, den es gibt».

Worin äussert sich diese Freiheit?
Ich kann noch immer meinem Spieltrieb und meiner Neugier folgen und mache viele Dinge, die andere unvernünftig finden. Ich besuche die Wirte und flicke wenn nötig gerne auch selber einen Humidor. Wäre das Geschäft auf Wachstum getrimmt, müsste ich das an Aussendienstmitarbeiter delegieren und mich um Vermögensverwaltung und Steueroptimierung kümmern. Wenn ich aber in eigener Manufaktur ein kleines Zigarrenetui ohne Ecken und Kanten entwickeln kann, das in Frauenhandtaschen garantiert keinen Schaden anrichtet, bin ich der glücklichste Mensch. Oder diese edel lackierte Kiste hier habe ich für einen Russen gemacht, der mir in Oligarchenmanier sagte: «Iwan, ich liebe deine Zigarren, aber sie sind viel zu billig.»

Sie sind erst 46-jährig – was reizt Sie noch?
Das Schöne ist: Wenn man keine Geschäftsmodelle und keine Kunden hat, sondern Emotionen und Freunde, kann man alles Mögliche machen, manchmal sogar das Unmögliche. Eine spezielle Schokolade in ganz kleinen Mengen zu produzieren, würde mich reizen, da gibts schon ein paar Ideen. Und ich habe eine grosse Schwäche für schöne Schuhe. Warum nicht irgendwann einen eigenen Lederschuh herstellen? Ich werde es merken, wenn die Zeit reif ist dafür. Wenn man den Dingen nicht hinterherrennt, sondern dem inneren Antrieb folgt, sucht einen das Glück immer wieder auf.