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«Ich sehe vor mir, wie Roger Federer damit trainiert»

Mit 20 Jahren hatte Kaspar Schmocker die Idee für ein neuartiges Fitnessgerät, mit 25 Jahren wurde er von potenziellen Kunden verspottet, heute trainieren in halb Europa Spitzen- und Breitensportler mit dem SensoPro des 31-Jährigen. Entscheidend sei gewesen, dass er nicht zu sehr in der Gegenwart gelebt, sondern sich von starken Bildern habe beflügeln lassen, sagt der Berner Oberländer. Für den nächsten Schritt lässt er sich von Roger Federer und seinem Grossvater inspirieren.

Interview: Mathias Morgenthaler  Foto: zvg


Kontakt und weitere Informationen:
www.sensopro.swiss oder kaspar@sensopro.swiss

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Herr Schmocker, wie kamen Sie als 20-Jähriger auf die Idee, ein multifunktionelles Sportgerät zu entwickeln?
KASPAR SCHMOCKER: Der unmittelbare Anlass war, dass ich im Sportstudium einen Praktikumsbericht verfassen musste. Als professioneller Unihockeyspieler interessierte ich mich für effiziente Trainingsformen. Ich hatte aber auch den Eindruck, im Sport- und Fitnessmarkt sei alles längst erfunden, da könne man nur noch Dinge kopieren. Eines Tages, als ich bei meinem Onkel zu Besuch war, kam mir die zündende Idee. Wir schauten seiner achtjährigen Tochter Luna zu, die draussen auf dem Trampolin hüpfte, und ich dachte: Ein Stück von diesem Trampolin in einem stabilen Rahmen, das wärs!

Bald darauf bauten Sie erste Prototypen – dachten Sie dabei noch an die Uni-Arbeit oder schon an den Aufbau eines Unternehmens?
Ich war einfach begeistert, an einem Fitnessgerät zu arbeiten, das nicht nur wirksames Training erlaubt, sondern zu allererst Spass macht. Sonst ist Training oft mit Qual verbunden, die Leute wollen Gewicht verlieren oder Muskeln aufbauen und mühen sich dafür ab. Ich sah lauter lachende Menschen vor meinem inneren Auge, wie Luana, die vom Trampolin runtersteigt. Es ging mir ungefähr so wie dem Spotify-Gründer, der einmal sagte, zu Beginn habe er sich gefühlt wie jemand, der euphorisch im Flugzeug sitzt und spürt, dass da etwas Grosses entstehen könnte. Wegen der Wolken sah er keine Details, aber das Gefühl sagte ihm, dass er abgehoben hatte.

Ihre Euphorie schlug sich in einer Uni-Arbeit nieder, die 58 Seiten umfasste statt der geforderten zehn. Dennoch dauerte es sieben Jahre, bis Sie eine GmbH gründeten und Personal einstellten. Vertrauten Sie Ihrer eigenen Idee zu wenig?
Ich hatte ja noch ein Studium zu absolvieren und war als Unihockeyspieler in der Meisterschaft und Nationalmannschaft gefordert. Aber mein Onkel und ich bauten unzählige Prototypen und lernten den Markt immer besser kennen. Die ersten Jahre waren hart. Diese Wunde am Bein hier (zeigt auf eine grosse Narbe), die ich mir bei einem frühen Selbstversuch zuzog, erinnert mich an die Anfangszeit; noch schmerzhafter waren die vielen schroffen Reaktionen von potenziellen Kunden. Ein paar habe ich in meinem Motivationsbuch festgehalten, wahrscheinlich dürfen wir das hier nicht zitieren; aber dass unser Gerät ein überteuerter Mist sei, den man nicht mal gratis aufstellen möchte, gehörte noch zu den freundlicheren Reaktionen. Heute sind fast all diese Kritiker der ersten Stunde unsere Kunden.

Wie haben Sie durchgehalten in dieser Zeit?
Ich habe mich immer mit starken Bildern motiviert. So sah ich vor meinem inneren Auge, wie in Fitness-Clubs zehn unserer SensoPro-Geräte nebeneinanderstehen. Und ich stellte mir vor, wie die besten Fussballer oder Skifahrerinnen darauf trainierten und ihren Rumpf stärken. Weiter malte ich mir aus, wie ich bei «Aeschbacher» im Schweizer Fernsehen von unserer Erfolgsgeschichte erzählen durfte. Vieles davon ist tatsächlich Realität geworden. Ich war bei Kurt Aeschbacher auf Sendung, vor einiger Zeit konnten wir SensoPro bei Manchester City vorstellen, bei YB oder Borussia Mönchengladbach ist das Gerät regelmässig im Einsatz. Und kürzlich gratulierte mir Pierre Paganini, der Fitnesstrainer von Roger Federer und Stan Wawrinka, zu unserer Erfindung und meinte, er könne sich gut vorstellen, damit zu arbeiten. Auch das sehe ich schon vor mir: Wie Roger Federer zum ersten Mal aufs Gerät steigt, mit dem linken Fuss voran, und dann mit einem Lächeln wieder runtersteigt nach 20 Minuten.

Diese Bilder waren immer stärker als die Enttäuschung über ablehnende Reaktionen auf dem Markt?
Man muss seinen Traum am Anfang schon gut schützen. Aber ja, ich habe das wirklich verinnerlicht, dass ein Unternehmer nicht primär in der Gegenwart leben muss, sondern Dinge sehen soll, die es noch nicht gibt. Manchmal führt das zur seltsamen Situation, dass ich Auszeichnungen oder besondere Momente weniger geniessen kann als mein Team, weil ich sie mental schon Jahre vorher erlebt habe. Als wir unser 500. Gerät verkauften, war ich eigentlich schon in einem ganz anderen Film. Diese Haltung hilft mir dabei, nicht zu sehr zu zweifeln, wenn wir Absagen erhalten. Wenn jemand «Nein» sagt, fängt das Verkaufen für mich erst an. Mich beschäftigt nicht in erster Linie die Frage, ob jemand kaufen will, sondern wie wir dahinkommen und wann. Von meinem Team werde ich dafür geliebt und gehasst. Sie müssen das ausbaden und nachrechnen, wie gut sich meine Visionen mit der Realität vertragen.

Visualisierung ist das eine, aber Sie sind auch ein Chrampfer. Hatten Sie immer schon Spass daran, um 6 Uhr mit der Arbeit zu beginnen und auch kurz vor dem Einschlafen noch Ideen festzuhalten?
Offen gesagt kann ich gar nicht anders. Manchmal habe ich Mühe mit dem Einschlafen, weil mich eine Idee so begeistert oder ich es kaum erwarten kann, neue Türen zu öffnen am nächsten Tag. Aber es ist nicht nur Spass, ich bin auch ein verletztes Kind und ein Getriebener, der Bestätigung sucht. Meine Mutter starb an Krebs, als ich zwölf war, mein Vater, selber Unternehmer und Dozent, hatte und hat hohe Erwartungen an mich und fragt im Zweifelsfall, ob nicht noch ein wenig mehr möglich wäre. Es gibt also nicht nur die Freude, sondern auch einen Stachel, der mich antreibt. Für meinen Praktikumsbericht an der Uni bekam ich eine eher schlechte Note – er sei zu wenig kritisch, zu wenig reflektiert, fanden die Experten. Heute gehört die Uni Bern zu unseren Kunden, und die schlechte Note hat mich sicher angestachelt.

Andere Unternehmer kümmern sich mit 60 um Nachfolgelösungen oder klammern sich mit 80 noch an den Chefsessel. Warum haben Sie schon in jungen Jahren einen Firmenchef und Finanzchef eingestellt?
Ich habe rasch begriffen, dass ich zu emotional und zu chaotisch bin, um selber ein Unternehmen zu führen. Am besten ist es, wenn ich hier für die Emotionen zuständig bin. Ich verkörpere die Begeisterung, entwickle Visionen, überzeuge neue Kundschaft. Und ich habe ein gutes Gefühl dafür, was die Teammitglieder hier brauchen, um ebenfalls Feuer und Flamme zu sein für unser Projekt. Strukturen schaffen, Prozesse verbessern, die Liquidität sicherstellen – diese Aufgaben gibt man besser nicht in meine Hände. In den ersten Jahren waren wir sehr unprofessionell in dieser Hinsicht. Als wir an 2013 die grösste Gesundheits- und Fitnessmesse FIBO besuchten, wo wir für eine Auszeichnung nominiert waren, mussten wir über Nacht in zweites Gerät zusammenbauen, weil man uns eine zusätzliche Ausstellungsmöglichkeit auf dem roten Teppich angeboten hatte. Es war wichtig, dass mit Jan Urfer ein Firmenchef an Bord kam, der zu Beginn feststellte, im Moment hätten wir kein Produkt anzubieten, sondern einen Eisenhaufen. Und mit Florian Kuchen ein Jurist, der als einziger hier gut rechnen und einen Businessplan schreiben konnte. Er war es, der uns vorrechnete, dass es zwar schön war, wenn wir zu dritt nach Manchester reisten und dort sogar dem Trainer-Idol Pep Guardiola begegneten, dass sich das unter dem Strich aber nicht rechnete für die Firma.

Immerhin kostet ein SensoPro-Trainingsgerät gut 20‘000 Franken. Schreiben Sie inzwischen schwarze Zahlen?
Das tun wir seit der Gründung – wir haben uns anfänglich einfach kaum Lohn bezahlt. Zudem steckte meine Familie Geld ins Unternehmen, und die Frau unseres CEOs hat mir in der Anfangszeit einmal gesagt, ihr wäre es angesichts der fünfköpfigen Familie lieber gewesen, ihr Mann wäre in seinem sicheren Lehrerjob geblieben statt hier diese Wette auf die Zukunft einzugehen. Es gab schon verschiedene Möglichkeiten, rasch zu Geld zu kommen. Carsten Maschmeyer bot uns im Rahmen der Sendung «Höhle der Löwen» an, 30 Prozent der Firma zu übernehmen, später erhielten wir auch Übernahmeangebote. Uns ist es aber wichtig, nicht von Investoren unter Druck gesetzt zu werden und die nächsten Kapitel von hier aus weiterzuschreiben. Wir sind jetzt gut aufgestellt.

Welches sind Ihre wichtigsten Märkte und wo wollen Sie weiter wachsen?
Aktuell sind wir vor allem im Fitnesstraining und im Rehabilitationsbereich stark positioniert. Auch Spitzensportler wie Skifahrerin Wendy Holdener, Schwinger Christian Stucki oder die Fussballer David von Ballmoos oder Miralem Sulejmani von YB wissen, dass das Training auf dem SensoPro ebenso kurzweilig wie intensiv ist und dass die verschiedenen Übungen dafür sorgen, dass die Koordination der rund 650 Muskeln, die wir haben, stark verbessert wird. Im Fitness- und Gesundheitsbereich wachsen wir nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und den Benelux-Staaten sowie in Russland stark. Das nächste Ziel ist, den SensoPro auch im betrieblichen Gesundheitsmanagement besser zu positionieren. Am meisten beschäftigt mich derzeit das Thema Gesundheit im Alter. Es ist bekannt, wir rasch die Muskulatur im Alter schwindet, wenn man nicht trainiert, was zu Stürzen und Knochenbrüchen führt. Viele ältere Menschen scheuen den Aufwand fürs Training. Deshalb inspiriert mich derzeit das Bild von älteren Menschen, die mit einem Lächeln im Gesicht nach dem Training zum Frühstück kommen. Ich sehe bei meinem Grossvater, dass auch Senioren unser Gerät problemlos alleine nutzen und mit Freude etwas für ihre Gesundheit tun können.


22. Dezember 2018