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«Viele Bekannte sagten zu mir, ich sei wie Sherlock Holmes»

Einen ausgeprägten Spürsinn hatte Louisa Erismann schon immer, aber erst nach Erreichen des AHV-Alters erfüllte sie sich ihren Kindheitstraum und machte sich mit einer eigenen Privatdetektei im Zürcher Seefeld selbstständig. Ihr spannender Beruf erspare ihr den Arztbesuch, sagt die unerschrockene Jungunternehmerin.

Interview: Mathias Morgenthaler


Kontakt und weitere Informationen:
info@die-detektivin.ch oder www.die-detektivin.ch

Frau Erismann, Sie haben in einem Alter, in dem andere den Ruhestand geniessen, eine Ausbildung zur Privatdetektivin absolviert. Was hat Sie veranlasst, nach der Pensionierung weiterzuarbeiten?
LOUISA ERISMANN: Ich empfand es als unerträglich, aus Altersgründen plötzlich aussortiert zu werden – als hätte ich mein Ablaufdatum erreicht. Ich war zuvor 20 Jahre lang sehr erfolgreich im Aussendienst eines internationalen Optikunternehmens tätig gewesen. Da sind enorm enge Beziehungen zu meinen Kunden entstanden, die meine persönliche Beratung schätzten. Das führte dazu, dass ich ein Jahr über das Erreichen des AHV-Alters hinaus weiterarbeiten konnte.

Und danach entschlossen Sie sich, sich selbstständig zu machen?
Zunächst habe ich mich auf offene Stellen beworben. Ich führte einige sehr gute Gespräche mit potenziellen Arbeitgebern, aber sobald ich mein Alter nannte, war das Thema erledigt. Warum gibt es diese starre Grenze? Ich finde, jede Person sollte selber entscheiden dürfen, ob sie sich pensionieren lassen oder länger arbeiten will. Für mich war die Arbeit nie primär eine Pflicht, sondern stets eine Leidenschaft, die meinem Leben Sinn gab. Soll ich nun plötzlich die ganze Zeit Busreisen machen oder vor dem TV sitzen, Süssigkeiten essen und Alkohol trinken? Mir geht es besser, wenn ich geistig herausgefordert werde, Kunden treffe, Teil einer sinnvollen Sache sein kann. Das erspart mir den Arztbesuch und schützt mich vor dem geistigen Verfall. Ich will meine Lebenszeit sinnvoll nutzen, am Morgen motiviert in den Tag starten und am Abend zufrieden und müde ins Bett sinken.

Gab es auch einen finanziellen Anreiz zum Weiterarbeiten?
Ja, nebst der Lust aufs Arbeiten gibt es auch einen gewissen Druck. Meine Mutter wurde 93-jährig, ich habe ihre guten Gene geerbt, musste aber im Moment der Pensionierung feststellen, dass ich es mir nicht leisten konnte, 93-jährig zu werden. Da ich mich nicht darauf ausrichten wollte, eines Tages bei der Gemeinde anzuklopfen, setzte ich alles auf die Karte Selbständigkeit. Ich verzichtete jahrelang auf Ferien, bildete mich zur Privatdetektivin und zum diplomierten Coach aus, mietete ein Büro im Zürcher Seefeld, kaufte ein geeignetes Auto und begann vor knapp einem Jahr mit meiner neuen Tätigkeit. Es fühlte sich etwa so an, als würde ich im Casino alles Geld auf eine Zahl setzen, mit voller Konsequenz.

War das nicht seltsam, als einzige Rentnerin diese Ausbildung zu absolvieren?

Die Meisten waren zwischen 25- und 45-jährig, aber mein Alter war da kein Thema. Ich konnte in allen 20 Fächern sehr gut mithalten, in der Observation zum Beispiel bin ich nie verbrannt, nie aufgeflogen, kurz: ich. Fotografie und Psychologie liegen mir ohnehin, und wenn vertieftes IT-Wissen gefragt war, tauschte ich mich mit einem Kollegen aus, der darin extrem versiert ist. Wir hatten eine gute Kollegialität in der Klasse. Und der Ausbildner sagte mir schon bald, ich sei die geborene Detektivin. Man sollte sich seine Träume von niemandem ausschwatzen lassen. Wenn du etwas willst, dann mach es und hör nicht auf die anderen!

Hat sich für Sie mit dem eigenen Detektiv-Büro ein Kindheitstraum verwirklicht?
Ja, ich fühle mich dabei ganz in meinem Element. Ich bin als zweitältestes von acht Kindern in einer Bauernfamilie im Kanton Zug aufgewachsen. Ich war von jungen Jahren an extrem neugierig und hatte eine starke Intuition, ein gutes Gespür für Menschen. In der Familie war ich oft die Krisenmanagerin, holte die Kohlen aus dem Feuer, wenn es brenzlig wurde. So half ich beispielsweise, den Mord an meinem jüngeren Bruder aufzuklären. Nach der Bäuerinnenschule, die ich meinem Vater zuliebe absolviert hatte, eröffnete ich eines Tages meiner Mutter, ich ginge jetzt nach London, um Englisch zu lernen. Ein One-Way-Ticket kostete damals über 2000 Franken, wer mutig war, ging bestenfalls für ein paar Monate ins Welschland. Entsprechend fand meine Mutter, ich sei nicht normal, sowas brauche ich doch nicht. Ich wollte es aber unbedingt und hatte mir das nötige Geld im Service verdient. Später sagte mir meine Mutter, sie sei stolz auf mich und ich mache nun genau das, wovon sie immer geträumt habe.

Später waren Sie im Augenoptikfachgeschäft Ihres Ex-Manns und für einen Optikkonzern im Aussendienst tätig. Zeigte sich auch da schon detektivischer Spürsinn?
Ich war sehr erfolgreich im Verkauf und in der Beratung, weil ich jeweils genau wusste, was zum Kunden passte. Im Aussendienst ging das mit der Zeit so weit, dass mir die Stammkunden ihr Sortiment zeigten und dann eine Carte Blanche gaben mit der Bemerkung, ich wüsste am besten, was sie brauchten. Immer wieder sagten mir Bekannte, ich sei wie Sherlock Holmes, weil ich ein untrügliches Gespür dafür hatte, wenn etwas nicht stimmte, mir etwas verschwiegen wurde. Dann musste ich den Dingen auf den Grund gehen.

Welche Aufgaben umfasst Ihre heutige Tätigkeit?
Häufig sind Aufträge im Zusammenhang mit Beziehungsproblemen: Ist meine Frau treu? Mit wem trifft sie sich am Samstag? Nimmt mein Partner Drogen? Ist das Kind meiner neuen Freundin wirklich von mir? Solche Fragen können Menschen zermürben. Ich kann ihnen mit Abklärungen, Observation, Recherche und Beratung diskret helfen. Facebook ist dabei oft eine ergiebige Quelle. Es ist unfassbar, wie unvorsichtig die meisten Menschen sind und wie viel Privates sie preisgeben. Ein anderer wichtiger Bereich ist Internetbetrug.

Das klingt deutlich weniger spektakulär und gefährlich als das Bild, das einem in TV-Krimis vermittelt wird.
Es kann schon gefährlich werden, ich absolviere nicht umsonst meine Schiesstrainings mit der Pistole. Aber meine Hauptaufgabe ist nicht, in brenzligen Situationen einzuschreiten, sondern dafür zu sorgen, dass Menschen die Wahrheit kennen und dass sie sich mit einem sicheren Gefühl im Alltag bewegen. Der Begleitschutz ist ein wichtiges Tätigkeitsfeld. Ich bin mit einem diskreten, sehr gut ausgestatteten Auto unterwegs, kann Kunden zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher und unauffällig von A nach B bringen. Und ich bin sehr ausdauernd, habe eine gute Menschenkenntnis und Antizipationsfähigkeit. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist die Kommunikation, weil man viele Informationen im Gespräch erheben muss. Das ist in vielen Situationen mehr wert als reine Muskelkraft.

Wie lange wollen Sie den Beruf noch ausüben?
Wenn es meine Gesundheit zulässt, noch viele Jahre. Ich habe im Normalfall noch 20 oder 25 Jahre vor mir. Der Beruf hält mich jung und es gibt nichts Befriedigenderes, als exakt über jene Fähigkeiten zu verfügen, die in einem bestimmten Feld gefragt sind. Deshalb verschwende ich keine Gedanken ans Aufhören. Der Papst und die Queen sind auch keine vierzig – es ist an der Zeit, dass auch in der Arbeitswelt die Lebenserfahrung und Motivation wieder höher gewichtet werden.


20. Januar 2018