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«Was macht ein Mann nicht alles, damit seine Partnerin zufrieden ist?»

Es gibt einfachere Aufgaben, als den Skischuh neu zu erfinden. Nach 10 Jahren in der Luxusindustrie gönnte sich Nicolas Frey eine Auszeit und machte sich in seiner Garage ans Werk. Nun will der preisgekrönte Jungunternehmer und Gründer der Firma Dahu Sports den Weltmarkt erobern – mit einem extra leichten Skischuh, der sich im Handumdrehen in einen Wanderschuh verwandeln lässt.    

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: zvg



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Der Dahu-Skischuh, der sich jederzeit in einen Winter-Wanderschuh verwandeln lässt.

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Herr Frey, wie sind Sie auf die verrückte Idee gekommen, den Skischuh neu zu erfinden?

NICOLAS FREY: Was macht ein Mann nicht alles, damit seine Partnerin zufrieden ist? Im Ernst, meine Freundin ist eine ausgezeichnete Skifahrerin, aber sie fand einfach nie einen Schuh, in dem sie sich wohlgefühlt hätte. Sogar in diesen teuren Modellen, bei denen der Innenschuh individuell an die Fussform angepasst wird, hatte sie immer Schmerzen. Also nahm ich mir vor, einen Skischuh zu entwickeln, der Freude bereitet statt Schmerzen.

Hatten Sie nichts Besseres zu tun?

Ok, die Schmerzen meiner Partnerin beim Skifahren waren nicht der einzige Faktor. 2008 entschied ich mich, nach 10 Jahren im Design- und Marketingbereich der Luxusindustrie beruflich etwas Neues in Angriff zu nehmen. Ich wollte mir für die Neuorientierung Zeit lassen, weil es für gute Entscheidungen Freiraum braucht. So nahm ich eine Auszeit und hatte im Winter 2008/09 viel Zeit fürs Skifahren. Mir wurde bewusst, dass sich die Gewohnheiten der Skifahrer stark verändert hatten. Waren früher die meisten von früh bis spät auf den Skis, nutzen heute viele das erweiterte Angebot: Ein Inbiss an einer Schneebar, dann ein Spaziergang in Schneeschuhen und am Nachmittag direkt zum Après-Ski und von dort weiter zur nächsten Party. Wer je in einem Skischuh mit fester Aussenhülle zu tanzen versucht hat, weiss, dass das kein Vergnügen ist.

Auf dem Ski ist Stabilität aber unerlässlich.

Ja, das ist richtig. Aber heisst das, dass bei den Skischuhen alles gleich bleiben muss? Die Skis haben sich in den letzten 10 Jahren enorm stark verändert, die Schuhe haben sich in 40 Jahren fast gar nicht angepasst – da setzen immer noch alle Anbieter auf eine Art Tupperware mit vier oder fünf Schnallen. Ich wollte das ändern, machte mich in meiner Garage an die Arbeit und bastelte an einem ersten Prototypen: einer Kombination aus weichem Snowboardschuh, Snowboardbindung und einem aufgeschnittenen Skischuh. Parallel dazu arbeitete ich ein Jahr lang an einem Businessplan für eine eigene  Firma, die einen polyvalenten, leichten Skischuh auf den Markt bringt.

Sie investieren ein Jahr Arbeit in einen Businessplan ohne jeden Anhaltspunkt, ob es eine Nachfrage geben würde?

Sie müssen wissen: Ich bin der Typ Pitbull; ich kann mich sehr in eine Sache verbeissen und lasse dann nicht mehr locker. Zudem hatte ich schon unternehmerische Erfahrung gesammelt und wusste, dass man sich besser am Anfang genügend Zeit nimmt, damit man nachher nicht viel Zeit mit Kurskorrekturen verliert. Da ich die Sportartikelbranche nicht kannte, gab es viel zu recherchieren, über die technischen Anforderungen, aber auch über die wichtigen Akteure in diesem Markt. Zudem legte ich viel Wert auf Design und Marketingstrategie. So hatte ich nach einem Jahr 56 Seiten, die sich als hervorragender Fahrplan für die nächsten Etappen erwiesen. Ich spreche zwar kein Deutsch, aber im Hang zum Perfektionismus zeigen sich wohl meine Deutschschweizer Gene : Ich mache eine Sache entweder gar nicht oder dann richtig gut.

Wie ging es weiter nach den Bastelversuchen in der Garage und der Arbeit am Businessplan?

2011 gründete ich die Firma Dahu Sports Company und erhielt eine Anschubfinanzierung vom Kanton Freiburg. 2012 gewann ich im Familien- und Freundeskreis weitere finanzielle Unterstützung, so dass wir im Oktober 2012 einen ersten Prototypen des hybriden Skischuhs auf Schnee testen konnten. Im Sommer 2013 nahmen wir rund 1 Million Franken Kapital auf und starteten nach dreijähriger Entwicklungsarbeit mit der Produktion in Italien. 

Wer zahlte Ihren Lohn in dieser Zeit?

Welchen Lohn? Im ersten Jahr gab es gar keinen Lohn, die letzten drei Jahre einen sehr kleinen. Zum Glück hatte ich auch wenig Zeit, Geld auszugeben. Man lebt ganz für die Firma in den ersten Jahren. Deswegen ist es wichtig, den Rückhalt der Partnerin und der Familie zu haben – anders ginge es nicht. Und natürlich ist ein solches Projekt immer eine Wette auf die Zukunft. Wir haben international grosse Ambitionen, und wenn unsere Pläne aufgehen, werden die Anteile, die wir statt Lohn erhalten, einmal viel Geld wert sein. Unser Finanzchef und unser Produktmanager haben Lohneinbussen von über 50 Prozent hingenommen, um Teil der Dahu-Geschichte zu werden. Es ist ein grosses Abenteuer für das ganze bald 7-köpfige Team und wir stehen noch immer ganz am Anfang.

Immerhin haben Sie in der letzten Wintersaison rund 1000 Paar der Dahu-Skischuhe verkauft.

Ja, wir sind auf dem Markt angekommen und das ist für alle wichtig. Zu Beginn, wenn du Geld brauchst für die erste Produktion, kannst du überhaupt nichts vorweisen. Das Produkt gibt es erst in deinem Kopf, du kannst den Investoren nur Skizzen und Kapitalisierungstabellen aus dem Businessplan zeigen. Und weil die ersten Geldgeber meistens aus dem privaten Umfeld stammen, ist es ganz wichtig, ihnen einzuschärfen, dass sie nur mit Geld einsteigen sollen, das sie nicht wirklich brauchen. In der zweiten Wintersaison wollen wir nun 4000 bis 6000 Paar absetzen. Weil die Sporthändler teilweise noch kritisch sind, wollen wir möglichst viele Endkunden ansprechen, die dann im Laden nach unseren Schuhen fragen.

Ein Problem ist vermutlich, dass der Schuh mit 690 Franken eher teuer ist.

Wenn Sie einen guten Winter-Wanderschuh kaufen, kostet der 300 Franken; ein guter Skischuh kostet 500 Franken. Bei uns erhalten Sie beides für knapp 700 Franken. Unser Schuh, der beide Funktionen vereint, wiegt nur 2,2 Kilo. Bei der Funktionalität haben wir keinerlei Abstriche gemacht, wie uns ehemalige Profi-Fahrerinnen wie Aline Bonjour und viele Skilehrer bestätigen. Mit einem Handgriff können Sie die Schale aufklappen, dann sind Sie mit einem vollwertigen, atmungsaktiven Wanderschuh unterwegs.

Sie wollen mit diesem Schuh nicht nur in der Schweiz und den Nachbarländern Marktanteile gewinnen, sondern auch in Skandinavien, Polen, Holland und ab nächster Saison in Nordamerika und Japan. Ist das nicht ein etwas zu forsches Tempo für ein so kleines Unternehmen?

Wir öffnen uns jetzt weiteren Investoren und wollen so 2,5 bis 5 Millionen Franken aufnehmen. Mit dem Geld vergrössern wir die Belegschaft und finanzieren eine besondere Marketingkampagne: Diesen Winter touren wir in einem Bus durch ganz Europa, um unsere Schuhe in den Skigebieten und Touristenzentren bekannt zu machen. Es ist ein ganz neuer Markt und wir müssen uns rasch als Referenzmarke etablieren – wenn wir uns zu viel Zeit lassen, macht es ein anderer schneller als wir. Ein Fernziel ist übrigens, nach den USA und Japan auch die südliche Hemisphäre zu beliefern. Das würde die enormen saisonalen Schwankungen etwas ausgleichen.

Wie wird die Geschichte enden? Machen Sie sich in der Aufbauphase schon Gedanken über einen späteren Exit?

Das ist ein sehr sensibles Thema. Ich schliesse derzeit nichts aus, weder einen Börsengang noch einen Verkauf an einen grösseren Akteur, der dem Unternehmen mehr Durchschlagskraft gibt. Im Vordergrund steht aber die weitere Entwicklung der Produktpalette und der Markterschliessung und das erreichen der Gewinnschwelle im Winter 2016/17. Im Moment schreiben wir die DNA der Marke Dahu. Es dominiert noch immer das Startup-Feeling, täglich alles neu zu erfinden.

Und Ihre Partnerin ist zufrieden mit Ihrer Arbeit?

Ja, sie kann jetzt endlich schmerzfrei Ski fahren. Die nächste Herausforderung kommt nun ebenfalls aus dem Familienkreis. Mein 4-jähriger Sohn möchte auch einen Dahu-Skischuh. Wir werden also nicht darum herumkommen, eine Kinderkollektion zu entwickeln.  


27. September 2014