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Die Juristin, die Alltagsprobleme aus der Welt schafft

Gute Ideen hatte Susanne Richter schon immer. Doch erst nach einer Karriere als Juristin und Managerin fasste sie sich ein Herz und investierte ihr Erspartes in die Produktion von 24’000 Schuhabtropfmatten. Der Anfang war hart, doch die 48-Jährige biss sich durch und heute kaufen auch jene ihre Produkte, die sie anfangs für verrückt erklärt hatten.

Interview: Mathias Morgenthaler


Kontakt und weitere Informationen:
www.sannishoo.com oder S.Richter@sannishoo.com

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Mit diesem multifunktionellen Spültuchhalter kam Susanne Richter in einer TV-Show auf Rang 2.

Frau Richter, Sie waren kürzlich in der Sendung «Das Ding des Jahres» von Prosieben zu Gast und belegten mit Ihrer Erfindung, einem multifunktionellen Spültuchhalter, den zweiten Platz. Wie war das Echo?
SUSANNE RICHTER: Die Resonanz war gewaltig. Die Tage darauf arbeitete ich an der Ambiente-Messe in Frankfurt, der grössten Konsumgütermesse in Europa. Immer wieder sprachen mich Kunden auf die TV-Sendung an. Eine Stunde nach der Ausstrahlung am Samstagabend war der Server zusammengebrochen, obwohl wir Vorkehrungen getroffen hatten für einen möglichen Ansturm. Seit alles wieder funktioniert, geht alle drei Minuten eine Bestellung ein. Davor war es eher eine Bestellung alle drei Tage, denn ich bin vor allem auf den Einzelhandel fokussiert. Es ist eine grosse Freude, dass sich das Produkt schon 100’000-mal verkauft hat – und gleichzeitig beschert mir die logistische Herausforderung schlaflose Nächte.

Vor knapp vier Jahren, als Sie Ihr erstes Produkt lancierten, war die Situation ganz anders.
Ich bin mit 41 Jahren spät Mutter geworden und sah einige Jahre später, wie die Hartplastikmatten, auf denen die Schuhe abtropfen sollten, immer zerbrachen, wenn mein Sohn drauf trat. Das inspirierte mich dazu, bruchsichere, bunte, in der Maschine waschbare Schuhabtropfmatten zu entwickeln. Man kann bei so etwas keine halben Sachen machen. Also investierte ich all mein Erspartes und liess 24’000 Stück in verschiedenen Farben produzieren. Ich hatte also ein volles Lager, aber noch keinen Kunden. Die ersten drei Jahre waren eine harte Zeit, weil ausser meinem Mann wenige an mich und meine Ideen glaubten. Viele Freunde sagten mir, wenn es so etwas bräuchte, dann gäbe es das bestimmt schon. Manche fanden, ich spinne komplett.

Woher nahmen Sie Ihren Enthusiasmus? Als studierte Juristin mit Management- und Beratungserfahrung hätten Sie mit weniger Aufwand mehr verdienen können.
Ich stamme aus einer Juristenfamilie und studierte entsprechend Rechtswissenschaften, arbeitete danach drei Jahre am Gericht. Dann wechselte ich in die Wirtschaft. In Marketing- und Managementfunktionen bei Austrian Airlines und der Swiss habe ich viel gelernt, was ich später in der Unternehmensberatung einsetzen konnte. Aber es waren nie meine eigenen Projekte, nie mein eigenes Risiko. Und in mir schlummerte die Sehnsucht, etwas Eigenes zu entwickeln. Seit ich ein Kind bin, beobachte ich die Leute, denke mir gerne Lösungen aus für Alltagsprobleme. Und immer wieder erlebte ich, dass Produkte auf den Markt kamen, die ich lange zuvor im Kopf gehabt hatte. Aber ich traute mich nicht, das selber umzusetzen. Am Anfang fehlte mir das Geld – später der Mut.

Was gab den Ausschlag, dass Sie diesen Schritt mit 45 Jahren wagten?
Für mich war es ein grosses Geschenk, dass ich mit 41 Jahren noch Mutter geworden bin. Und gleichzeitig empfand ich es auch als Aufforderung, mein Leben in die Hand zu nehmen, meinen Leidenschaften zu folgen, die Dinge nicht mehr auf später zu verschieben. Man kann das nicht forcieren, aber mit 45 wollte ich es einfach wissen. Es war hart, von Freundinnen belächelt zu werden, die selber von der Selbstständigkeit träumten, aber denen die Sache viel zu riskant schien. Ich hätte mir in diesen ersten Jahren eine Partnerin gewünscht. Am Anfang ist man ein Nobody, auf Messen registrieren dich die wichtigen Einkäufer kaum. Erst wenn du im dritten Jahr immer noch da bist, kommst du auf den Radar. Ich musste viel dafür tun, überhaupt gesehen zu werden, musste oft ein viertes und fünftes Mal anrufen, um sicherzustellen, dass ich nicht vergessen wurde. Das macht kein Erfinder gerne.

Im Vergleich zur Konkurrenz in der TV-Sendung wirkte Ihre neuste Erfindung recht simpel. Warum waren Sie überzeugt, dass die Welt Ihren Spültuchhalter braucht?
Ich habe zwei linke Hände oder jedenfalls kein technisches Geschick. Meine Stärke ist, simple Dinge zu entwickeln, die das Leben vieler Menschen einfacher machen können. Die Frage, was man mit dem feuchten Spültuch macht, sorgt in vielen Haushalten für Diskussionen. Es auf dem Wasserhahn zu trocknen, ist unhygienisch, die meisten anderen Lösungen sind unbefriedigend. Also befragte ich 100 Leute in meinem Umfeld dazu und entwickelte dann mit Fimo-Modelliermasse den Prototyp eines Spültuchhalters, den man zusätzlich fürs Abtropfen von Geschirr und Flaschen und als Untersetzer für heisse Töpfe sowie als Eierhalter verwenden kann. Dann verfeinerte ich das Produkt mit meinem Freund Georg Fontana, einem Designer, und liess es in einer Silikonfabrik in Italien produzieren.

Verdienen Sie nun so gut, dass Sie Ihre Arbeit als Unternehmensberaterin aufgeben?
Ich werde mit diesen Margen nicht reich – ausser eine Erfindung schlägt so ein, dass jeder zweite Amerikaner sie kauft. Mein Ziel ist, mir ein vollwertiges Gehalt zahlen und neue Projekte entwickeln zu können. Ich habe noch viele Ideen in meinem Kopf, die realisiert werden wollen. Die Beratung habe ich reduziert. Ich will vermehrt anderen Menschen helfen, den Weg zum Eigenen zu finden und schrittweise Veränderungen anzugehen. Nach meiner Erfahrung kommt es bei der Realisierung eigener Projekte auf drei D-Faktoren an: Denken, Durchsetzen und Dranbleiben. Das Denken ist der leichteste Teil, beim Durchsetzen und Dranbleiben ist Unterstützung besonders wertvoll. Da will ich mithelfen, andere in diesem Prozess zu bestärken statt sie mit demotivierenden Bemerkungen zu bremsen.

Wie haben Ihre Freundinnen auf Ihren Erfolg reagiert?
Einige haben mir nach der Ausstrahlung der TV-Sendung gratuliert und geschrieben, sie hätten sich mein Produkt jetzt auch bestellt. Ich habe mich darüber gewundert, denn sie wussten ja schon lange davon. Offenbar nahmen sie es erst ernst, als das Fernsehen darüber berichtete. Diese Erfahrung machen viele Unternehmer und Erfinder: Man muss an die Dinge glauben und sie vor sich sehen, auch wenn man damit zunächst sehr allein ist. Aber viel Zeit zum Kopfzerbrechen wird mir nicht bleiben in den nächsten Tagen. Die Bestellungen aus der Schweiz verarbeite ich selber mit einem tollen Team von Müttern, also werden wir erst mal meine Spültuchhalter in Kartonschachteln verpacken.


17. Februar 2018